Die EU wischt Staub in Berlin

Die Umweltzone verbannt ab dem Jahr 2008 Dieselstinker aus der Innenstadt. Das wichtigste umweltpolitische Projekt des rot-roten Senats geht auf eine Richtlinie der Europäischen Union zurück

Dank der Umweltzone soll die Belastung mit Feinstaub um 10 Prozent sinken

VON ULRICH SCHULTE

Der uralte Ford Transit des Gemüsehändlers an der Ecke hat mehr mit der Europäischen Union zu tun, als man denkt. Oder vielmehr die schwarze Wolke, die aus dem Auspuff der Klapperkiste quillt. Eine Richtlinie der EU ist nämlich der Grund, warum der rot-rote Senat Autos und Lkws, die viele Schadstoffe in die Luft pusten, aus der Innenstadt verbannen will. Die so genannte Umweltzone innerhalb des S-Bahn-Ringes wird zum 1. Januar 2008 Wirklichkeit. Sie ist das zentrale umweltpolitische Projekt der Landesregierung, um rund 200.000 Anwohner von Hauptstraßen vor gesundheitsgefährdendem Feinstaub und Abgasen zu schützen.

Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. „Eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern von Umwelt- und Verkehrsverwaltung erarbeitet im Moment einen Katalog von Ausnahmekriterien“, sagt Bernd Lehming, Referatsleiter Emissionsschutz in der Umweltverwaltung. Oldtimer etwa könnten vom Fahrverbot ausgenommen werden, auch bestimmte Berufe oder kleine Händler, die sich zunächst keinen Dieselrußfilter für den Firmentransporter leisten können. Ende Februar will die Behörde ein Faltblatt herausgeben, das die Umweltzone erklärt, kündigt Lehming an – damit sich die Bürger früh auf die Revolution für saubere Luft einstellen können.

Ab 2008 wird’s dann ernst: In die Innenstadt dürfen nur noch Fahrzeuge, die mindestens die Schadstoffklasse Euro 2 erfüllen. 27.000 Berliner Autos mit Dieselmotor müssen dann draußen bleiben, hinzu kommen 29.000 Diesel-Lkws und rund 30.000 Benziner ohne Katalysator. Die Besitzer müssten auf ein neues Gefährt umsteigen oder Dieselrußfilter oder Kat nachrüsten. Bei einem Diesel-Pkw kostet das gut 600 Euro, der Bund gibt dafür einen Steuernachlass von 330 Euro. Vergleichsweise gering ist die Zahl der Betroffenen: In Berlin fahren knapp 1,3 Millionen Autos. Ab 2010 wird noch schärfer gesiebt: Dann müssen Fahrzeuge in der Innenstadt Euro 3 einhalten.

Die von Naturschützern gelobte Regelung kommt zustande, weil der Senat auf eine EU-Richtlinie reagiert, die seit Januar 2005 greift. Sie soll die Bürger vor schädlichem Feinstaub, also kleinsten Schmutzpartikeln, schützen. Der Feinstaub-Mittelwert eines Tages darf nicht über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, nur 35 Überschreitungen pro Jahr sind erlaubt. Das Jahresmittel darf 40 Mikrogramm betragen. Berlin knackt diese Marken regelmäßig, ebenso wie andere Großstädte. Ein Beispiel: An der Frankfurter Allee in Friedrichshain hat die Umweltbehörde 2006 insgesamt 70 Überschreitungstage gemessen, doppelt so viele wie erlaubt.

Von der Umweltzone erhoffen sich Experten nun deutliche Verbesserungen. Lehming rechnet mit 4 Mikrogramm im Schnitt weniger, also einer Verringerung von 10 Prozent. Selbst der Entwurf für das Verkehrsschild ist schon fertig. Auf Berliner Anregung ließ der Bund die Idee fallen, alte Smog-Schilder zu recyclen. Das neue Verkehrszeichen ist viereckig, von einem roten Rand umgeben, in der Mitte steht „Umweltzone“ mit schwarzer Schrift auf weißem Grund.

Auch die Feinstaub-Plakette des Bundes wird 2007 fertig. Sie teilt jedes Auto in eine Schadstoffkategorie ein und muss auf die Windschutzscheibe geklebt werden. Sie sei eine wichtige Bedingung für die Umweltzone, hatte Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) immer wieder betont. So kann der Verkehrspolizist jeden Dieselstinker, der sich doch noch in die Innenstadt verirrt, zweifelsfrei identifizieren.

Einen Rekord bei der Feinstaubbelastung wird übrigens regelmäßig an Silvester aufgestellt. Viel Qualm aus Böllern und Raketen reizt dann Menschen und Messgeräte. Am Neujahrstag wurden die Grenzwerte dieses Mal aber nur an fünf Berliner Stationen überschritten – vergleichsweise wenig. Manchmal hilft eben auch kräftiger Wind gegen dreckige Luft.