Öl und Schweine

Demagogie und Drunken Kung Fu: In Steven Zaillians Film „Das Spiel der Macht“ geht es um Aufstieg und Fall eines korrupten Südstaatenpolitikers

Starks Rechtfertigung ist simpel: Dreck ist überall. Warum sich also nicht die Hände schmutzig machen?

von CRISTINA NORD

Louisiana in den Dreißigerjahren: William Stark (Sean Penn) deckt als Kämmerer seines Städtchens eine Korruptionsaffäre um den Bau einer Schule auf. Niemand interessiert sich dafür, bis in der Schule ein Feuer ausbricht und drei Kinder umkommen. Eine Feuertreppe war „nur mit Spucke angeklebt“, wie eine Nebenfigur sagt. Mit dem Unglück beginnt Starks Aufstieg. Zum Verdruss der mächtigen, alteingesessenen Familien bringt er es bis zum Gouverneur. Er verkörpert den Anwalt der kleinen Leute, den Vertreter der Bauern, den Wohltäter, der den Armen Schulen, Straßen, Brücken und Krankenhäuser schenkt. Seine oft im Gegenlicht gefilmten Auftritte reißen das Publikum mit, seine Reden elektrisieren. Seine Rhetorik ist alttestamentarisch in ihrem Zorn und ihrer Radikalität.

„Wer soll das alles bezahlen?“, fragen sich derweil die Vertreter der Ölaristokratie. Mit ihren Tischgesprächen, ihren von alten Eichen umstandenen Anwesen und ihrem ausgestellten Müßiggang wirken sie, als gehörten sie einer untergehenden Zeit an – Privilegierte von gestern, dem Neuen nicht gewachsen, den russischen Landadligen in Tschechows Stücken verwandt. Doch Steve Zaillians „Das Spiel der Macht“ verfehlt die große Form, zu der manche Filmen finden, wenn sie einer alten Ordnung beim Untergehen zuschauen.

Einer der Privilegierten, der junge Reporter Burden (Jude Law), wechselt die Seiten und schließt sich Starks Team an – aus seiner Perspektive heraus erzählen sich die Ereignisse. Dabei ist „Das Spiel der Macht“ kein Film, der dem Gouverneur die guten Absichten glaubte. Der Regisseur hat einen Roman von Robert Penn Warren aus dem Jahre 1946 adaptiert; der wiederum hat sich von einer realen Person inspirieren lassen, dem Politiker Huey P. Long (1893–1935). So machthungrig sich Long im echten Leben gebärdete, so rücksichtslos führt sich Stark im Film auf. Er scheut vor Demagogie, Korruption oder Erpressung nicht zurück, und er hat dafür eine Rechtfertigung parat: Dreck sei überall, deswegen gebe es keinen anderen Weg, als sich die Hände schmutzig zu machen.

Diese Rhetorik des Schmutzes zieht sich durch den ganzen Film. Stark greift oft auf die Bibel und deren drastische Bilderwelt zurück, zugleich spricht er gerne von Schmieröl, und der Übergang von der Korruptionsmetapher hin zum Bild der gut geölten Machtmaschine ist fließend. Auch Schweine spielen eine wichtige Rolle. Ein zwielichtiger Gehilfe Starks fällt bei einer Wahlkampfveranstaltung von der Bühne und landet im Schweinekot; später stehen Stark und Burden neben einem Schweinekoben auf der Farm von Starks Eltern, während Stark darüber sinniert, wie viele Tonnen Futter er den Schweinen im Laufe seines Lebens gegeben hat. Am Ende des Filmes fährt die Kamera über eine in den Boden eingelassene, als Relief gestaltete Karte Louisianas. Gerade eben sind Schüsse gefallen, nun füllt, im Close-up, das Blut zweier Menschen die in die Karte eingravierten Flussläufe, und daneben wird – wohl als Hinweis darauf, welcher Agrarproduktion der Bundesstaat Wohlstand verdankt – ein Schwein sichtbar. Wenn es um motivische Verkettungen geht, setzt Zaillian lieber nicht auf Subtilität. Dass den Dschungel regiert, wer den Löwen zu Fall bringt, ist eine Weisheit, die der Regisseur den Figuren mehrmals in den Mund legt. Als reichte die Dialogzeile nicht, nähert sich die Kamera dazu jeweils einer Stuhllehne, die vom Relief eines Löwenkopfes geziert wird.

Bemerkenswert an „Spiel der Macht“ sind weniger diese überdeutlichen Motive oder die aufdringlich entsättigte Farbgestaltung – und schon gar nicht die Hinwendung hin zur Familien- und Liebesgeschichte, die dem Film unterläuft, sobald die Figur Burdens in den Mittelpunkt rückt. Bemerkenswert ist vielmehr, was Sean Penn aus seiner Rolle macht. Er gibt den Populisten Stark, indem er mit den Armen rudert und das Becken in weiten Kreisen um die Körperachse schwingt. Seine demagogische Rhetorik – „nagelt sie an die Wand“ brüllt er wie trunken, wenn er von seinen politischen Gegnern spricht – korrespondiert mit dem Ausufern seiner Gesten; seine Gesichtszüge bewegen sich in einer außergewöhnlichen Mischung aus Stupor und Beherrschung. Man kann das, miesepetrig, als overacting wahrnehmen. Man kann sich aber auch ernsthaft darüber freuen, dass der Kampfkunst-Stil des „Drunken Kung Fu“ Eingang ins Repertoire filmischer Politiker-Darstellung gefunden hat.

„Das Spiel der Macht“. Regie: Steven Zaillian. Mit Jude Law, Sean Penn u. a. USA 2005, 128 Min.