CDU macht rüber
: Angreifen oder untergehen

Normalerweise verkaufen Parteien heillose Fluchten als Angriffe. Die Berliner CDU macht es umgekehrt. Die Union will sich, so sagt sie, im Ostteil der Stadt auf ihre Hochburgen beschränken. Beschränken? Eher das Gegenteil stimmt: Die Union hat mit 16 Jahren Verspätung den Osten als Wählerreservoir entdeckt. Dieser Angriff ist für Pflügers Leute die beste Verteidigung. Und womöglich ihre letzte Chance.

KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE

Ihr einziger Direktmandatsinhaber im Osten, der junge Mario Czaja, soll die Union in kaum bekannte Gebiete lotsen: Mehr- und Einfamilienhaussiedlungen in Biesdorf, ruhige Wohnanlagen in Weißensee, Altglienicke und Bohnsdorf. Die alte Westpartei CDU traut sich nicht aus unverhofft entdeckter Sympathie in die Exhauptstadt der DDR, sondern weil ihnen seit 2001 die Wähler im Westen davonlaufen. Hin zur SPD, zu den Grünen, zu den Nichtwählern. Bei ihrer Ostexpedition konzentriert sich die Union notgedrungen auf einige Gebiete. Für mehr reicht das Geld der kleinen Kreis- und Ortsverbände in der Diaspora nicht.

Man muss der Union nicht nahe stehen, um ihrem Vorhaben Erfolg zu wünschen. Friedbert Pflüger will die Partei loseisen vom Image der Kalten Krieger. Gelingt es ihm, liberalisiert er dadurch auch die Mentalität in weiten Teilen Westberlins. Von einer offeneren CDU würde auch Berlins Politlandschaft profitieren. Das Land braucht eine wählbare Konkurrenz zur SPD.

Positiv könnten auch die Folgen für die Ostbezirke ausfallen. In vier Kommunalparlamenten sitzen rechtsradikale Parteien. Holt die Union auch nur einige der Nazi-Wähler zurück ins demokratische Lager, wäre die CDU-Expedition schon ein Erfolg.