Asylsuchende sollen leiden

In Spandau sollen vermeintlich unkooperative Flüchtlinge in ein Heim kommen. Der Flüchtlingsrat befürchtet, dass dort ein „Ausreisezentrum“ mit miserablen Lebensbedingungen entstehen könnte

Von Waltraud Schwab

Der Flüchtlingsrat befürchtet, dass in der Motardstraße in Spandau ein „Ausreisezentrum“ für geduldete Ausländer entstehen soll. Dort sollen Menschen untergebracht werden, die aufgrund ungeklärter Identität nicht ausgewiesen werden können.

Das Wort „Ausreisezentrum“ rede die wahren Absichten dabei schön, sagte Flüchtlingsratssprecher Georg Classen der taz. Im Grunde werde den Betroffenen dort jede eigenständige Lebensführung unmöglich gemacht. Unterkunft und Verpflegung würden gestellt, aber schon die Auszahlung des monatlichen Taschengelds von 40 Euro obliege dem Ermessen der Bezirksbehörde. „Die Lebensbedingungen dort sind unattraktiv“, so Classen – und so schlecht, dass eine Ausreise einem Verbleib vorgezogen werde. In dem Asylbewerberheim in der Motardstraße werden derzeit unter anderem geduldete Ausländer untergebracht, die bislang nur kurz in Deutschland sind.

Nahrung haben die Befürchtungen des Flüchtlingsrates nun durch einen Vorstoß des neuen Spandauer Sozialstadtrats Martin Matz (SPD) erhalten. Er will Druck ausüben auf abgelehnte Asylbewerber, die schon jahrelang in Deutschland leben – vor allem auf jene, die ihre Ausreise verhindern, weil sie angeblich nicht mithelfen, an gültige Reisepässe zu kommen. Das Asylbewerberleistungsgesetz erlaubt es, bei diesem Personenkreis die Hilfeleistungen nur zu gewähren, „soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist“.

Auf diese Rechtslage beruft sich der Spandauer Stadtrat. Von den 615 geduldeten Ausländern, die in die Zuständigkeit des Bezirks fallen, seien 122 nach derzeitigem Stand nicht bereit, an der Aufklärung ihrer Identität mitzuarbeiten. Deren Akten kämen nun auf den Tisch. Die Betroffenen werden innerhalb eines Monats aufgefordert, sich kooperativ zu zeigen – ansonsten müssen sie in das von der Arbeiterwohlfahrt betriebene Heim in der Motardstraße ziehen.

Sozialstadtrat Matz weist darauf hin, dass sein Vorstoß in Zusammenhang steht mit der Bereitschaft Spandaus, als letzter Bezirk Berlins zum 1. Februar 2007 endlich das Chipkartensystem für Asylbewerber abzuschaffen. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn die Betreiberfirma des Chipkartensystems hat den Vertrag zu diesem Termin gekündigt, wie Matz bestätigt. Nun allerdings bestünden vor allem in der Spandauer CDU starke Bestrebungen, ein anderes Wertgutscheinsystem und weiterhin keine Bargeldauszahlung der Unterstützungsleistungen einzuführen.

SozialstadträtInnen aus den meisten anderen Bezirken finden die Spandauer Vorgehensweise überzogen. „Ich hätte nicht erwartet, dass jemand so populistisch punkten muss. Schon gar nicht ein SPDler“, sagt der neue Kreuzberger Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linkspartei).