Ein neuer Anreiz für Geringverdiener

SPD stützt sich auf das Konzept von Ökonomie-Professor Peter Bofinger. Negative Einkommensteuer auch in USA

Auch in Deutschland wird das Konzept der negativen Einkommensteuer populärer

BERLIN taz ■ Wie bringt man Arbeitslose dazu, einen schlecht bezahlten Job anzunehmen? Indem ihnen der Staat einen zusätzlichen materiellen Anreiz gibt, sagt die SPD neuerdings (siehe oben). Wenn Geringverdiener ihre Sozialabgaben nicht mehr selbst bezahlen müssten, sondern der Staat sie übernähme, bliebe vom niedrigen Lohn mehr Geld übrig.

Diese grundsätzliche Überlegung hat unlängst der Würzburger Ökonomie-Professor Peter Bofinger angestellt. Im vergangenen August erschien sein Gutachten „Ein Konzept für Existenz sichernde Beschäftigung im Niedriglohnbereich“. Bofinger und seine Mitarbeiter verfassten es im Auftrag des Sächsischen Wirtschaftsministeriums. Eine Kernidee ist, dass der Staat die Sozialabgaben für Niedrigverdiener übernimmt, die bis zu 750 Euro bei Singles und 1.300 Euro pro Monat bei Paaren verdienen.

Bofingers Konzept, bessere Anreize zu schaffen, steht in Gegensatz zu dem, was die Mehrheit des Sachverständigenrates der Bundesregierung vorschlägt. Bofinger vertritt die Minderheitenposition im wirtschaftspolitischen Beraterkreis, während Ökonomie-Professor Bert Rürup und seine Kollegen den Druck auf die Arbeitslosen erhöhen wollen. Sie plädieren dafür, den Basissatz von Hartz IV um ein Drittel zu reduzieren. Die Überlegung: Weil davon keiner leben kann, nehmen die Erwerbslosen jeden Job an.

Was die humanere Variante angeht, ist Bofinger freilich nicht der Erste, der sie formuliert. Die SPD nennt als Ideengeber außerdem den Kölner Sozialwissenschaftler Fritz Scharpf und die Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung aus den 1990er-Jahren.

Eng verwandt ist Bofingers Konzept mit der Idee der negativen Einkommensteuer. Als einer der Ersten hat Milton Friedman, Begründer der neoliberalen Schule, vorgeschlagen, eine klare Grenze zu ziehen: Wer weniger verdient, als einen bestimmten Betrag, bekommt Geld vom Staat (negative Steuer), wer mehr verdient, zahlt (positive Steuer). Kombilohnmodelle auf dieser Basis praktizieren die USA und Großbritannien. Auch in Deutschland wird das Modell populärer. So propagiert Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) den Plan eines bedingungslosen Grundeinkommens, das teilweise ähnlich funktioniert.

HANNES KOCH