Bonus für Arbeit

AUS BREMEN JENS KÖNIG

Die SPD hat auf ihrer Klausurtagung in Bremen die politische Strategie für 2007 abgesteckt. Die Partei will keine Reformpause – sie will vielmehr mit einer ganzen Reihe von arbeitsmarkt- und familienpolitischen Reformen ihr soziales Profil schärfen und somit neue Wählerstimmen gewinnen. „Eine Politik der Erneuerung braucht die Akzeptanz und das Engagement der Menschen“, heißt es dazu in einer vom SPD-Vorstand verabschiedeten „Bremer Erklärung“. „Erfolgreiche Reformpolitik messen wir am Zugewinn, den unsere ganze Gesellschaft erreichen kann. Darum setzen wir auf Augenmaß und soziale Verantwortung.“

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht ein Konzept für den Niedriglohnbereich. Die SPD will einfache und schlecht bezahlte Arbeiten attraktiver machen. Sie schlägt dafür eine Befreiung der Geringverdiener von den Sozialabgaben vor. Diese Steuergutschrift bezeichnet sie als „Bonus für Arbeit“. Das Ziel: Geringverdiener mit einer Beschäftigung von über 30 Wochenstunden sollen so ein existenzsicherndes Einkommen erzielen, das deutlich höher ist als ihr Arbeitslosengeld II. In der Praxis sieht es bislang häufig so aus, dass es für viele Hartz-IV-Empfänger nicht attraktiv ist, einen schlecht bezahlten Job auf dem regulären Arbeitsmarkt anzunehmen. Nach Abzug der Sozialabgaben bleibt ihnen nicht selten weniger Geld, als sie durch das Arbeitslosengeld und die darin eingeschlossenen Zuverdienstmöglichkeiten haben.

Wie viel die Umsetzung dieses Konzepts kosten würde, wann es in Kraft treten könnte, ob es mit der Union, die ganz andere Vorstellungen für den Niedriglohnsektor hat, überhaupt realisiert werden kann – all diese Fragen sind ebenso offen wie die Details. Bis Ende Februar will die SPD den Vorschlag genau prüfen. Anschließend sollen Gespräche mit der Union geführt werden.

Auffällig in Bremen war, dass die beiden dafür zuständigen Minister, Peer Steinbrück (Finanzen) und Franz Müntefering (Arbeit), sich nur sehr zurückhaltend zu dem Konzept geäußert haben. Steinbrück muss das Geld besorgen – Schätzungen zufolge sollen die Einführungskosten vier Milliarden Euro betragen. Für Münteferings Zurückhaltung gibt es in der SPD-Spitze unterschiedliche Erklärungen. Die einen meinen, er stehe hinter dem Konzept, aber durch zu frühe Festlegungen würde er als Vizekanzler die anstehenden Gespräche mit der Union über den gesamten Niedriglohnbereich gefährden. Andere glauben, Müntefering halte den Vorschlag für nicht ausgereift. In der Arbeitsgruppe seines Ministeriums, die die Überlegungen für die Niedriglohn-Strategie der Koalition erarbeitet, soll das Steuergutschrift-Modell keine große Rolle spielen.

Die SPD schlägt in ihrer „Bremer Erklärung“ außerdem die Schaffung eines „Sozialen Arbeitsmarktes“ vor. Insbesondere Langzeitarbeitslosen, die keine Chance mehr auf dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt haben, soll damit eine Beschäftigung ermöglicht werden. „Für den Anfang“ könnten 100.000 Menschen davon profitieren, glauben die Sozialdemokraten. In einem Beschluss zur Kinder- und Familienpolitik spricht sich die SPD dafür aus, dass ab 2010 alle Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr an einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung haben.

Auch in der Programmarbeit ist die Partei auf ihrer Klausur in Bremen vorangekommen. Der Vorstand nahm den Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm (siehe taz vom 5. 1.) einstimmig an. SPD-Chef Kurt Beck sprach anschließend von einem „Meilenstein in der inhaltlichen Positionierung“ der Partei.