„Offene Sympathie für Gewalt zeigt niemand“

Der sachsen-anhaltische Innenminister Holger Hövelmann (SPD) betont: Sein Bundesland sei nicht das gefährlichste für Migranten

taz: Erst verbucht Sachsen-Anhalt im Ländervergleich die höchste Zahl rechtsextremer Straftaten pro Kopf, dann dieser Anschlag in Sangerhausen, bei dem Asylbewerber nur mit Glück einem Mordanschlag, offenbar verübt von Neonazis, entgangen sind. Ist Sachsen-Anhalt das gefährlichste Bundesland für Migranten?

Holger Hövelmann: Nein. In Sachsen-Anhalt leben, arbeiten und studieren Menschen aus den verschiedensten Ländern der Welt, und ich hoffe, dass es mehr werden. Dafür wollen wir rassistische Täter unter hohem Verfolgungsdruck halten, wie es auch in Sangerhausen geklappt hat. Von dem Ausrufen von „No-go-Areas“ oder gar einem entsprechenden Negativ-Ranking halte ich überhaupt nichts, weil man damit nur das Geschäft der Neonazis besorgt, die sich ausländerfreie Zonen wünschen.

Das Problem ist ja nicht nur dieser Anschlag: Am Wochenende griffen vier Schläger in der Magdeburger Straßenbahn, immerhin in der Landeshauptstadt, zwei Studenten aus Israel und dem Jemen an. Können Sie der Bedrohung für Nichtdeutsche in Sachsen-Anhalt überhaupt noch Herr werden?

Wir sollten auf dem Teppich bleiben. In Sachsen-Anhalt ziehen keine Nazihorden marodierend durch die Straßen. Die Polizei in Sangerhausen hat in wenigen Stunden die Tatverdächtigen ermitteln und dem Haftrichter zuleiten können. Das sollte auch bei anderen potenziellen Tätern als Abschreckung ankommen.

Im Gegensatz zu Ihren Vorgängern im Amt des sachsen-anhaltischen Innenministers geben Sie offen zu, dass Rechtsextremismus in Ihrem Bundesland ein Problem ist. Aber Migranten geraten dennoch immer wieder in gefährliche Situationen. Läuft Ihre offensive Strategie ins Leere?

Ein offensiver politischer Umgang mit den Rechtsextremen und harte polizeiliche Repression sind nötiger denn je.

Müssen Sie schärfer gegen Neonazis vorgehen?

Wir zeigen schon jetzt null Toleranz gegen Rechtsextremismus.

Müssen Sie Asylbewerber besser schützen?

Wir tun, was wir können, aber wir werden den aktuellen Vorfall in Sangerhausen noch genau auswerten.

Glauben Sie, dass der Anschlag der NPD vor den nächsten Kreistagswahlen schadet? Oder sympathisieren die Menschen mit den Brandstiftern?

Offene Sympathie für Gewalt gegen Ausländer zeigt niemand, im Gegenteil: Die Bereitschaft zur Zivilcourage ist zwar noch zu schwach, aber sie wächst.

Sie treten immer immer wieder als Befürworter eines schon einmal gescheiterten NPD-Verbots auf. Gegen solche Vorfälle würde das aber wenig helfen, oder?

Ein Alkoholverbot am Steuer hilft auch nicht gegen Versicherungsbetrug, und trotzdem ist es richtig.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ