Nazis prügeln sich durchs Jahr

Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten hat sich im Jahr 2006 verdoppelt. Mehr als 100-mal wurden Menschen in Berlin überfallen, getreten und verprügelt. Der Rückblick zeigt: Es kann jeden treffen

von FELIX LEE

So hoch wie im vergangenen Jahr war die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremisten schon lange nicht mehr. Mit rund 100 gemeldeten Gewaltdelikten hat sich die Zahl in Berlin im Vergleich zum Jahr 2005 verdoppelt. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hervor, die die Berliner Bundestagsabgeordnete Petra Pau (Linkspartei) an die Bundesregierung gestellt hat.

Bereits im Dezember hatte Polizeipräsident Dieter Glietsch diese besorgniserregende Entwicklung angedeutet. 2005 habe es 52 Gewaltdelikte gegeben. 2006 würden es mehr als 100 sein, hatte er erklärt. Genaue Zahlen für das 2006 gibt die Berliner Polizei voraussichtlich im Februar bekannt.

„Die reale Zahl der Gewaltdelikte liegt erfahrungsgemäß weit höher. Entsprechend größer ist auch die Zahl der Betroffenen“, sagt Linkspartei-Politikerin Pau. „Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind in Deutschland längst wieder eine tägliche Gefahr für Leib und Leben.“ Dem sei allein mit einem „Aufstand der Anständigen“ nicht mehr beizukommen, so die Bundestagsabgeordnete.

Seit Jahren erfragt die Linkspartei im Bundestag monatlich die erfassten Straftaten mit rechtsextremem und ausländerfeindlichem Hintergrund. Dabei zeigt sich auch: Die Berliner Rechtsextremisten sind besonders in den Sommermonaten aktiv. Allein im August gab es 17 Gewalttaten. Aber auch der milde Herbst hat die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremisten anscheinend in die Höhe getrieben.

Das Bundesinnenministerium weist darauf hin, dass es sich bislang lediglich um vorläufige Zahlen handelt. Erfahrungsgemäß müssen sie bis zur Veröffentlichung der abschließenden Statistik im Frühjahr noch deutlich nach oben korrigiert werden, weil die Polizei in der Regel etliche Taten nachmeldet.

Doch nicht nur die Zahl der Gewaltdelikte ist in die Höhe geschossen. Einen Anstieg gibt es auch bei sonstigen rechtsextrem motivierten Straftaten. Nach Angaben der Polizei haben sich diese seit 2003 fast verdoppelt. Allein im vergangenen November wurden in Berlin insgesamt 164 Straftaten registriert. Damit nahm die Hauptstadt im bundesweiten Ländervergleich nach Nordrhein-Westfalen (176 Taten) Platz zwei ein – nur hat NRW fünfmal so viele Einwohner.

Über die Gründe für den sprunghaften Anstieg rechtsextremer Straftaten lässt sich nur spekulieren. Polizeipräsident Glietsch ist der Überzeugung, dass der Anstieg noch immer mit dem gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD im Jahr 2003 zusammenhängt: „Seitdem agieren die Rechtsextremisten aggressiver und hemmungsloser, weil sie sich offenbar sicher fühlen“, so der Polizeichef. Er sprach sich für ein erneutes Verfahren zum Verbot der rechtsextremen NPD aus.