„Eine miese Organisation“

Gegen Scientology sollte man alles Erdenkliche unternehmen, so der Innensenator. Die Sekte setze Mitglieder unter Druck. Bislang gebe es aber keine Hinweise, dass sie verfassungsfeindlich sei

INTERVIEW PLUTONIA PLARRE

taz: Herr Körting, seit wann wissen Sie, dass Scientology in der Otto-Suhr-Allee ein neues Zentrum eröffnet?

Ehrhart Körting: Das ist mir in den letzten Tagen bekannt geworden. An dem Zeitpunkt ist nichts auszusetzen. Über eine Organisation, die nicht unter Beobachtung des Berliner Verfassungsschutzes steht, werden keine Daten gesammelt. Alles andere wäre nicht zulässig. Einen Staat, der ohne Rechtsgrundlage Informationen sammelt, wollen wir doch auch nicht.

Das Ganze erinnert an den NPD-Parteitag im Vorjahr. Damals hat Ihre Behörde auch fast verschlafen, dass der in Berlin abgehalten werden sollte.

Da irren Sie sich. Wir waren über den Parteitag rechtzeitig informiert.

Sprechen wir über Scientology und den Verfassungsschutz.

Scientology hat 2001 einen Prozess gegen uns geführt und gewonnen. Mit Urteil vom 13. Dezember 2001 hat uns das Verwaltungsgericht untersagt, bestimmte nachrichtendienstliche Mittel gegenüber Scientology einzusetzen. In einem zweiten Prozess im Jahr 2003 hat uns das Verwaltungsgericht aufgefordert, tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen von Scientology in Berlin zu belegen.

Das konnte der Berliner Verfassungsschutz nicht.

Richtig. Daraufhin haben wir Konsequenzen gezogen und die Beobachtung eingestellt. Gleichzeitig haben wir aber darauf hingewiesen, dass die Beobachtung durch den Bund gewährleistet ist.

Was haben Sie persönlich für ein Gefühl in Bezug auf die neue Zentrale?

Ich habe das gleiche Gefühl, das ich immer bei Scientology habe: Ich halte das für eine miese Organisation, die gegenüber ihren Mitgliedern Druck ausübt, die versucht, sie hörig zu machen, Schwächesituationen ausnutzt, um Menschen in die Organisation zu ziehen. Das erfolgt mit dem Versprechen, ihnen angeblich zu helfen. Gleichzeitig werden sie aber ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Es bleibt aber dabei: Solange Scientology nicht verfassungsfeindlich agiert, ist diese Organisation auch kein zulässiges Beobachtungsobjekt des Berliner Verfassungsschutzes .

Die Bürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Monika Thiemen, ist zur Eröffnung der Zentrale am Samstag eingeladen worden. Sie wird nicht hingehen. Haben Sie auch eine Einladung bekommen?

Nein.

Frau Thiemens Haltung ist: über Scientology aufklären. Sie warnt aber vor Demonstrationen, weil der Organisation dadurch nur unnötige Aufmerksamkeit verschafft würde.

Auch für mich ist das keine Frage von Demonstrationen, sondern von vernünftiger Aufklärung der Öffentlichkeit. Das ist eine Organisation, gegen die man alles Erdenkliche unternehmen sollte. Die Leute müssen mitkriegen, was für Strukturen sich dahinter verbergen. Insbesondere sollte man dafür werben, nicht beizutreten. Aussteigewilligen sollte man helfen rauszukommen.

Der FDP-Fraktion fordert, notfalls das Verfassungsschutzgesetz zu ändern, um Scientology beobachten zu können.

Wir haben die Beobachtung 2003 eingestellt, weil die Aktivitäten von Scientology das nicht gerechtfertigt haben. Ob sich jetzt durch neue Aktivitäten neue Anhaltspunkte ergeben, werden wir prüfen und gegebenenfalls mit dem Bund abstimmen. Das ist keine Frage von Gesetzesänderung. Dem Vorschlag der FDP zu folgen würde bedeuten, die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes auch auf Bereiche auszuweiten, in denen es nicht um verfassungsfeindliche Bestrebungen geht. Es gibt x verschiedende Jugendsekten. Jede für sich agiert widerlich. Trotzdem sind sie aus gutem Grund nicht Beobachtungsobjekt.