„Es wird Konflikte geben“

Scientology wird nach der Eröffnung der Deutschlandzentrale Schulkinder und Passanten agitieren, meint der Sektenexperte und Buchautor Frank Nordhausen

taz: Herr Nordhausen, was haben Sie gedacht, als Sie hörten, dass Scientology eine Zentrale in Berlin eröffnet?

Frank Nordhausen: Mir war sofort klar, dass das nur eine politische Zielrichtung haben kann. Scientology betreibt in Berlin schon seit über 30 Jahren eine Niederlassung. Um eine weitere Filiale kann es also nicht gehen.

Worum dann? Ist das sechsgeschossige Zentrum an der Otto-Suhr-Allee in Charlottenburg eine Repräsentanz, wie sie etwa auch der Bundesverband der deutschen Zementindustrie in der Hauptstadt hat?

Schon eher. Wobei es in erster Linie geht, ist ein Zeichen zu setzen: Wir, Scientology, sind in der City, der Mitte der Stadt, sichtbar angekommen. Das ist nicht anders als bei der NPD, die auch mit ihrer Bundeszentrale in Berlin Flagge zeigen will. Bei Scientology kommt hinzu, dass sie in der Nähe der Entscheider in Regierung und Parlament sein wollen, um Gesetze zu verhindern, die gegen sie als Organisation gerichtet sind.

Es gibt auch Stimmen, die vermuten, Scientology wolle im liberalen Berlin auf Stimmenfang gehen und die Anstrengungen erhöhen, neue Mitglieder zu werben.

Zumal sie in den Jahren davor damit ja nur mäßigen Erfolg hatten. Das ist sicher richtig. Es geht bei Scientology immer um Mitgliederwerbung, ganz egal, welche Aktivitäten im Vordergrund stehen. Bei der neuen Repräsentanz sehe ich aber einen Unterschied. Die wird tatsächlich zu der Deutschlandzentrale werden, die Scientology bislang nicht hatte.

Sie sagen, bei der Mitgliederwerbung sei Scientology in Berlin nur mäßig erfolgreich gewesen. Woran liegt das?

Sie haben auf Berlin nie dieses Schwergewicht gelegt wie zum Beispiel in Hamburg oder Baden-Württemberg. Das waren in der Vergangenheit die Schwerpunkte der Scientologen. Vor allem den Immobiliensektor haben sie dazu genutzt, um dem Motto ihres Gründers Ron Hubbard zu folgen: Mache Geld, mache mehr Geld, sieh dazu, dass andere mehr Geld machen. Dass Berlin eher am Rande vorkam, hatte bestimmt auch damit zu tun, dass hier im Vergleich zu Hamburg oder Stuttgart nicht das große Geld zu machen war.

Gerade im Immobilienmarkt waren die Scientologen vor zehn Jahren sehr aktiv, unter anderem in Neukölln. Ist das gescheitert?

Scientologen scheitern nicht. Das kommt in ihrer Sicht auf die Welt nicht vor. Sie denken in langem Zeiträumen. Zehn Jahre spielen da keine Rolle. Wichtig ist, präsent zu sein und die Sache am Laufen zu halten. Dazu kommt noch, dass die Neugründung der Deutschlandzentrale im Zusammenhang steht mit einer Direktive, die die amerikanische Zentrale vor zwei Jahren ausgerufen hat. Dabei geht es darum, auch in Europa endlich den Kampf zu gewinnen, wie es so schön martialisch heißt.

Als Scientology im Sommer zur Fußball-Weltmeisterschaft ein großes Zelt vor dem Hauptbahnhof aufgestellt hatte, gab es wenig Kritik. Warum ist die Aufregung jetzt so groß?

Das hat mich auch gewundert, dass das Zelt am Hauptbahnhof so wenig Aufsehen erregt hat. Ein solches Gebäude wie das in Charlottenburg hat aber eine andere Qualität. Alleine schon wegen seines großen Symbolcharakters. Darauf reagiert natürlich auch die Öffentlichkeit …

und die Opposition. Die fordert vom Senat, die eingestellte Beobachtung von Scientology durch den Verfassungsschutz wieder aufzunehmen. Ist das der richtige Weg, einer Psychosekte und einem Wirtschaftsunternehmen wie Scientology zu begegnen?

Daran habe ich meine Zweifel. Wichtiger ist es, dem ganzen öffentlich und demokratisch zu begegnen.

Das tun derzeit die Anwohner rund um die Otto-Suhr-Allee. Dabei fürchten sie auch, dass ihre Kinder agitiert werden können. Erinnert das nicht ein wenig an die Proteste gegen die Ahmadiyya-Moschee in Pankow?

Das kann man nicht vergleichen. Ich kenne die Ahmadiyya-Gemeinde und weiß, dass es dort nicht zu erwarten ist, dass die auf der Straße Schulkinder und Passanten agitieren. Das ist aber bei Scientology hundertprozentig zu erwarten. Das gehört zu deren Programm. Scientologen sind angehalten, ständig neue Leute, oder Frischfleisch zu werben, wie es im scientologischen Jargon heißt. Das ist nun mal eine Truppe, die mit den Methoden der Gehirnwäsche arbeitet.

Damit scheinen Konflikte, wenn nicht gar Auseinandersetzungen in Charlottenburg programmiert.

Ganz bestimmt. Davon bin ich überzeugt. Vor allem das Fußvolk wird in der neuen Deutschlandzentrale zur Straßenwerbung abkommandiert werden.

INTERVIEW: UWE RADA