Prekär ist jeder allein

60.000 unterschreiben gegen Praktikanten-Ausbeutung. Doch eine soziale Bewegung bleibt Wunschtraum

Gewerkschafterin Jessica Heyser ist zufrieden. Der DGB forderte in einer Petition an den Bundestag mehr Geld für Praktikanten, und 60.064 Menschen unterschrieben – das höchste Ergebnis, seit es Online-Petitionen gibt. Unbezahlte, dafür aber volle Leistung fordernde Praktika kennen offensichtlich viele Berufseinsteiger. Die vielen Einzelkämpfer an der Prekariatsfront scheinen genug zu haben. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht: Mit Praktikanten ist offenbar keine Revolution zu machen. Die bundesweit vom DGB koordinierte Unterschriftenaktion kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausgebeuteten still in ihren Praktikantenkämmerchen bleiben, sobald handfeste Aktionen anstehen. Im April des Vorjahres fanden sich gerade mal hundert Demonstranten in Berlin zusammen, um einen europaweiten Protesttag mitzutragen.

Dabei gäbe es genügend Gründe: Laut einer Studie erhalten zwei von drei Praktikanten überhaupt kein Geld. Der Rest rettet sich mit wenigen hundert Euro über den Monat. Da zudem die Chancen, dauerhaft in einem Unternehmen zu bleiben, gering sind, tingeln viele von Praktikum zu Praktikum. Deshalb verwundert es nicht, dass sich Betroffene zumindest via Internet Luft machen. Im Praktikums-Kummerkasten bei NEON-Online etwa sieht sich ein Praktikant lakonisch als „Depp vom Dienst“, ein anderer als „Sklave auf Zeit“. Konkrete Aktionen sind für die meisten aber kein Thema. Die „individualisierten Praktikanten“, die wie Goldgräber „von Stadt zu Stadt ziehen“, müssten „Solidarität wieder neu lernen“, so Jessica Heyser. An Unis werde dies leider nicht vermittelt.

Die Praktikanten sind von der Angst gelähmt, draußen zu bleiben – in der Arbeitslosigkeit. Oder, wie ein NEON-User schreibt: „Generation Praktikum? – Schön wär’s!“

ROMAN SCHMIDSEDER