Apfel verpflichtet

Apple hat im iPhone altbekannte Funktionen so überzeugend kombiniert, dass man sich fragt: Warum ist da vorher noch kein Handyhersteller drauf gekommen? Probleme bereitet nur der Name

von MARIUS MEYER

Am Dienstag stellte Apple-Chef und Technik-Gott Steve Jobs das neue iPhone vor. Keine Überraschung, wie am Aktienkurs des Unternehmens ersichtlich war. Als er nach einer halben Stunde Präsentation die Worte „mobile phone“ immer noch nicht in den Mund genommen hatte, brach der Kurs ein und rutschte ins Minus – um nach der Nennung dieser magischen Formel auf ein Allzeithoch zu steigen. Doch auch wenn die Vorstellung des iPhones erwartet wurde, gelang Jobs dennoch ein Paukenschlag.

Was Jobs zur Eröffnung der jährlichen „Mac-World-Expo“, der Apple-Hausmesse, in einem Hochamt der Technikgläubigkeit seinen Jüngern vorstellte, war im Grunde nichts Neues. E-Mails auf dem Handy sind gang und gäbe, Kalenderfunktion, Webbrowser, Video- und MP3-Player auch.

Doch Apple beherrscht die Kunst perfekt, Bekanntes neu zu verpacken. Andere Hersteller bauen in ihre Telefone und Handhelds zuerst Funktionen ein und schrauben dann eine dazu passende Bedienung drauf. Der kalifornische Computerhersteller, der sich seit Dienstag nicht mehr als Computerhersteller bezeichnet, dagegen scheint es andersherum anzugehen: Zuerst kommt die Überlegung, wie Menschen am besten mögliche Funktionen bedienen können, danach wird die Software dementsprechend entwickelt. So war es beim Click-Wheel des iPods, so ist es beim iPhone.

Form folgt Funktion

Auf der „Keynote“, die im Saal von 4.000 Apple-Mitarbeitern, Journalisten und Fans und über Live-Ticker von unzähligen Technophilen weltweit atemlos verfolgt wurde, stellte Jobs dann ein Gerät vor, das nur aus einem Touchscreen und einem einzigen Knopf zu bestehen scheint. Jede Software auf dem Gerät kann so das eigene Bedienkonzept verwenden – und sie perfekt mit den Grundfunktionen des Telefons verknüpfen.

So kann man sich – wie Jobs während der Vorstellung – über das vorinstallierte Google Earth die nächste Starbucks-Filiale heraussuchen sowie deren Telefonnummer und mit einem Klick dort anrufen, um „4.000 Latte to go“ zu bestellen. SMS werden von Sprechblasen umrahmt und zu einem Gespräch gruppiert – so wie man es bisher nur von Chatsoftware kennt.

Apple hat in das iPhone Ideen eingebaut, bei denen man sich im Nachhinein fragt, warum da eigentlich in den vergangen Jahren kein Telefonhersteller drauf gekommen ist. So stellt sich das Display automatisch ab, wenn man das Telefon zum Ohr führt. Vielleicht musste aber erst ein Gerät her, dessen Oberfläche fast komplett aus einem hochauflösenden Display besteht – also viel Akkuleistung verbraucht. Die Ingenieure waren gezwungen, sich etwas Stromsparendes einfallen zu lassen.

So überzeugt Jobs auch vom iPhone ist, dass das Telefonieren revolutionieren werde, so dürfte ihm etwas daran schwer im Magen liegen: Der Markenname „iPhone“ gehört nicht Apple, sondern dem Netzwerkausrüster Cisco, der über eine Tochterfirma IP-Telefone vertreibt. Die Firmen hatten lange über die Nutzung der Marke verhandelt.

Cisco verklagt Apple

Mit der Vorstellung des iPhones sieht Cisco die Verhandlungen vorerst als gescheitert an und verklagte Apple am Mittwoch. Dass Jobs ohne Einigung verkündete „Wir nennen es iPhone“, zeugt von Chuzpe – oder Dummheit. Denn der Preis, den Cisco verlangt, dürfte mit der Aussicht auf ein Gerichtsverfahren steigen. Auf den Namen verzichten kann Apple kaum, da die Macianer ihn lieben. Schon seit Jahren geistert er als Gerücht durch ihre Foren.

Bei aller Begeisterung für das Bedienkonzept des neuen Gadgets: Es gibt auch Negativpunkte. Zuerst ist da die Ökobilanz zu nennen. Die Erfahrung zeigt: Umweltschutz steht bei Apple-Entwicklungen nicht weit oben auf der Agenda. So kritisierte Greenpeace, dass Apple nur in Europa und den USA Altgeräte zum Recycling kostenlos zurücknimmt. Und das nur, weil Apple dort gesetzlich dazu gezwungen werde. Dass Apple mit dem neuen Produkt zum Öko-Paulus wird, ist nicht zu erwarten.

Zweitens der Preis: In den USA, wo das Gerät Mitte des Jahres verkauft werden soll, soll die Variante mit vier Gigabyte Speicher 499 Dollar kosten, mit verdoppeltem Speicher 100 Dollar mehr. Diese subventionierten Preise gelten jedoch nur gekoppelt an einen Zweijahresvertrag mit dem US-Mobilfunk-Giganten Cingular – übrigens vorerst die einzige Möglichkeit, ein iPhone zu ergattern.

Der dritte Grund ist die Gefahr für die eigene Gesundheit, denn schon in den Anfängen des iPod-Erfolgs kam es zu vielen Raubüberfällen. So fragte nach der Keynote ein Apple-Nutzer in einem Internetforum verzweifelt: „Wie soll ich das Ding nur in einer U-Bahn nutzen, ohne gleich einen Knüppel über den Schädel gezogen zu bekommen?“