Streit über die Museumsinsel von Abu Dhabi

Aufregung in Frankreich: Für viel Geld wollen die großen Pariser Museen eine Zweigstelle in den Vereinigten Arabischen Emiraten eröffnen

Es ist eine Petition, die für einiges Aufsehen sorgt. „Unsere Kunstschätze sind das Beste, was Frankreich zu bieten hat“, erklären prominente MuseumsdirektorInnen und KunsthistorikerInnen in Paris: „Sie sind weder Tauschgeld noch Konsumgüter.“ Sie protestieren gegen die Gründung einer Louvre-Zweigstelle in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, sowie gegen Geschäfte mit Museen in den USA und China, die jeweils zwei- und dreistelligen Millionen-Dollar-Summen in die Kassen der französischen Museen bringen sollen. „Natürlich müssen Kunstwerke verliehen werden“, heißt es in dem Text, „aber gratis und nach wissenschaftlichen Kriterien.“ Bis gestern haben 2.670 Fachleute unterschrieben. Die Petition hat Bewegung in die französische Museumslandschaft gebracht – und das Kunstgeschäft mit dem Wüstenstaat, über das monatelang hinter verschlossenen Türen verhandelt worden war, zu einem Stein des öffentlichen Anstoßes und zu einem Politikum gemacht.

Der Vertrag über die Louvre-Außenstelle auf der Insel Saadiyat vor der Stadt Abu Dhabi steht nach Auskunft von Francine Mariani-Ducray, Direktorin des Zusammenschlusses Musées de France ganz „unmittelbar vor dem Abschluss“. Noch vor Ende Januar soll eine Delegation aus Paris nach Abu Dhabi reisen, um ihn zu unterzeichnen. Danach will das Pariser Kulturministerium finanzielle Einzelheiten bekannt geben. Bislang kursiert lediglich ein nicht dementiertes Gerücht. Danach wollen die Emirate „mehr als 500 Millionen Euro“ für das Geschäft zahlen. Als Gegenleistung müssen die fünf größten französischen Museen – darunter der Louvre, das Orsay- Museum und das neue Branly-Museum – in den Emiraten ein Louvre-Museum aufbauen. Der Bauplan ist bereits fertig: Er stammt von dem französischen Architekten Jean Nouvel. Die Außenstelle soll 20 Jahre lang den Namen „Louvre“ tragen und Werke aus französischen Museen zeigen, die jeweils für zwei bis 24 Monate in die Emirate gehen. Französische Fachleute sollen die Emirate auch bei Ausstellungen und beim Ankauf einer eigenen Sammlung von Kunstwerken beraten.

Neben dem Louvre sind für die Insel Saadiyat Kurhäuser, sowie vier weitere Museen geplant. Eines davon entsteht in Kooperation mit der privaten New Yorker Guggenheim-Stiftung. Der Vertrag dafür wurde bereits im vergangenen Sommer unterzeichnet. Die Guggenheim-Stiftung ist in Paris Vorbild für die einen und provozierendes Zeichen für die Kommerzialisierung und die Wende zum „Entertainbusiness“ für die anderen. „Statt sich auf Kunsterziehung und wissenschaftliche Arbeit zu konzentrieren, macht das Guggenheim Geschäfte“, heißt es dann auch in der Petition. Ihre VerfasserInnen sind anerkannte Koryphäen der Branche: die ehemalige Direktorin der Musées de France, Françoise Cachin, der ehemalige Direktor des Pariser Picasso-Museums, Jean Clair, und der Kunsthistoriker und Mitglied des Collège de France, Roland Recht.

Der Unmut über den zunehmenden finanziellen Druck bei der internationalen Zusammenarbeit von Museen gärt in Frankreich schon lange. Einer der Auslöser war die Eröffnung einer anderen Louvre-Außenstelle in der US-amerikanischen Stadt Atlanta im vergangenen Jahr. Die Zusammenarbeit ist auf drei Jahre angelegt. Auch sie war hinter verschlossenen Türen verhandelt worden. Die Pariser Behörden taten so, als gingen dabei nur weniger interessante Kunstwerke vorübergehend ins Ausland – bis sich im Januar letzten Jahres herausstellte, dass es unter anderem Werke von Murillo, Velazquez und Raphaëel sind, die das Museum zeigen wird. Die PetitionärInnen sind überzeugt, dass auch bei künftigen Leihgeschäften PolitikerInnen über die Exponate entscheiden werden. Über die Köpfe der Museumsfachleute in Frankreich hinweg.

Noch verunsicherter reagierten französische KunsthistorikerInnen, als im November eine Studie über die über die „Wirtschaft des Immateriellen“ erschien. Die Studie im Auftrag des Pariser Wirtschafts- und Finanzminister nannte nicht nur die Arbeit der Guggenheim-Stiftung als wegweisend für französische Museen, sondern brach auch ein weiteres französisches Tabu. Zur Finanzierung ihrer Arbeit sollten die Museen erwägen, ihre „Kunstwerke zu vermieten und zu verkaufen“, heißt es. Hauptautor ist Maurice Lévy, der Chef von Publicis, eines der weltweit größten Werbeunternehmen.

Der Leiter des Louvre versucht inzwischen, das Abu-Dhabi-Geschäft zu rechtfertigen. „Das Geld ist wichtig“, sagt Henri Loyrette in Paris, „aber es ist nicht der Motor der Operation. Es ist der Dialog der Zivilisationen.“ DirektorInnen kleinerer Museen in der französischen Provinz bezweifeln, dass sie bei solch einem Dialog der Zivilisationen mithalten können. Sie haben keine Petrodollars. DOROTHEA HAHN