Rot-Rot lässt sich nicht das Hirn waschen

Heute eröffnet Scientology ihr neues Zentrum in der Otto-Suhr-Allee. Politiker der Berliner Koalitionsparteien halten eine Überwachung der Scientologen durch den Verfassungsschutz zum jetzigen Zeitpunkt dennoch für kontraproduktiv

Fachpolitiker von SPD und Linkspartei haben sich gestern gegen eine sofortige Überwachung von Scientology durch den Berliner Verfassungsschutz ausgesprochen. „Jetzt Panik zu verbreiten hilft nicht weiter“, sagte Tom Schreiber, der verfassungsschutzpolitische Sprecher der SPD. „Man muss sich sachlich mit der neuen Lage auseinandersetzen.“ Die Scientology-Sekte will morgen eine neue, repräsentative Zentrale in Charlottenburg eröffnen. Ihr wird vorgeworfen, ihre Mitglieder hörig zu machen und finanziell auszupressen.

Scientology sei seit langem in Berlin präsent, ergänzte SPD-Innenexperte Thomas Kleineidam. „Ein Umzug ist kein Grund, sofort nach Überwachung zu rufen.“ Zuvor residierte die Sekte in einem unauffälligen Bau in Friedenau. Das neue Zentrum hat 4.000 Quadratmeter, sechs Stockwerke und liegt an der Otto-Suhr-Allee – es wird morgen um 13 Uhr eröffnet. Durch den großen Bau in zentraler Lage entstehe „der Anfangsverdacht, dass Scientology seine Aktivitäten verstärken will“, so Kleineidam.

Deshalb will die SPD jetzt prüfen, ob Scientology ihre Aktivitäten in Berlin ausweitet – und gegebenenfalls über eine Beobachtung neu nachdenken. Diese Linie hatte in den vergangenen Tagen auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vertreten. In der heftigen Diskussion waren Forderungen nach schnellem Verbot und Überwachung laut geworden, etwa von der CDU und Sektenbeauftragten der Kirchen.

Die Linkspartei ist noch skeptischer als die SPD. „Meine Prognose ist: Die sorgfältige Prüfung wird keine neuen Erkenntnisse über diese miese Sekte bringen“, sagte ihr verfassungsschutzpolitischer Sprecher Udo Wolf. Er lehnt eine Änderung des Berliner Verfassungsschutzgesetzes strikt ab. „Die Balance zwischen dem Schutz unserer demokratischen Grundordnung und dem Schutz des Bürgers vor dem Staat ist darin sehr gut austariert.“ In den Jahren 2001 und 2003 hatten Gerichte dem Verfassungsschutz eine Beobachtung untersagt, da Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit der Sekte fehlten.

Wolf fordert eine Auseinandersetzung mit der Sekte in Schulen und öffentlichen Einrichtungen: „Die Gesellschaft muss sich gegen solche Praktiken immunisieren.“ Die Jugendexpertin der SPD, Sandra Scheeres, sieht das ähnlich: „Kinder müssen in Kitas und Schulen sensibilisiert werden.“ Die Sekte spreche gezielt Jugendliche in Krisensituationen an. „Mehr Aufklärung ist nötig, damit Kinder mit solchen Sekten umgehen können.“ Die Koalition will das Thema am 24. Januar im Verfassungsschutzausschuss behandeln. ULRICH SCHULTE

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