„Das morbide Ruhrgebiet“

Die Dortmunder „Nordstadt“ auf DVD. Der Filmemacher Michael Kupczyk hat damit eigentlich nicht gerechnet

Der Klang seiner ersten Worten macht klar: Der Filmemacher Michael Kupczyk („Nordstadt“, D 2004) kommt aus dem Ruhrgebiet. Die taz sprach mit dem 34-Jährigen aus Lünen über seine Wahrnehmung der Region:

taz: In Dortmund sorgte der Film für Schlangen vor der Kinokasse. Jetzt ist er als DVD erschienen. Macht dich das stolz?

Michael Kupczyk: Ein super Gefühl. Es gab auch Momente, in denen ich mich gefragt habe, ob sich die ganze Arbeit lohnt. Ich habe nicht geglaubt, dass er noch auf DVD rauskommt.

Sind die sozialen Probleme tatsächlich richtig dargestellt?

Ich hab nicht Soziologie studiert und der Film soll ja keine Sozialstudie sein. Aber wenn deine Mutter Alkoholikerin und dein Vater abgehauen ist, ist es leider wahrscheinlicher, dass du keine hohe Schulbildung bekommst. Das folgt soziologischer Logik und statistischer Wahrscheinlichkeit. Vielleicht ein Klischee, deshalb nicht unwahr.

Aber keine Wahrheit?

Ermutigend war eine Begegnung vor Drehbeginn. Ich bin mit einem jungen Typen ins Gespräch gekommen, der gerade aus dem Knast kam. Der hatte einen kleinen Sohn mit seiner Freundin. Er wohnte noch bei seiner Mutter und der ging es aber gerade nicht so gut. Dann hat er mir seine Tätowierung mit dem Namen seiner Freundin gezeigt. Alles wie in meinem Film. Momente, die einen bestärken, nicht ganz falsch zu liegen.

„Nordstadt“ ist Auftakt einer Ruhrgebiets-Trilogie. Wie siehst du die Region?

Was mich am Ruhrgebiet interessiert, ist dieses Morbide. Eine Daseins-Berechtigung für so viele Menschen auf so engem Raum gibt es nicht mehr. Und keinen Grund mehr im Ruhrgebiet zu wohnen, weil es hier auch kaum noch Arbeitsplätze gibt. Also wandern die jungen Leute ab.

Du bleibst dennoch Ruhrie?

Ja sicha!

Ist dein Film nur ein Portrait der Dortmunder Nordstadt?

Ich sehe die Stadt als typisch für das Ruhrgebiet. Wenn man an ein sozial schwaches Milieu denkt, kommt man schnell auf die Nordstadt. Es sagt aber niemand im Film, dass er dort spielt. Ich wollte einen Ort mit Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Prostitution zeigen. Mehr aber auch nicht. Der Film sollte auch unterhaltsam sein. Der Filmtitel „Nordstadt“ war auch vom Klang her interessant – hart und kalt, das trägt irgendwie schon die Assoziation mit Armut in sich.

Überall heißt es, dass Multi-Kulti tot sei. Der beste Freund deines Hauptdarstellers Maik ist der Türke Hassan.

Wir hätten Hassan auch durch einen Andreas ersetzen können. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass in so einem Milieu Türken und Deutsche befreundet sind, ist einfach hoch. Trotzdem ist meiner Meinung nach der Begriff Multi-Kulti zu akademisch. Es sollte einfach um zwei Typen gehen, die schon auf der Grundschule gemeinsam anderen Leuten aufs Maul gehauen haben. Das war unsere Motivation.

Maik muss im Film kämpfen. Du musstest dich dafür abstrampeln. Eine Parallele?

Grundsätzlich will ich zwischen meinem Leben und dem des Maik Borsizky natürlich trennen. Trotzdem gibt es Ähnlichkeiten. Ich bin mit meinem Studium fertig, weiß nicht genau, wo es mit mir hingeht. Damit muss ich klar kommen.

INTERVIEW: SIMON BÜCKLE