BVG pfeift Kontrollettis zurück

Die BVG schickt weniger Kontrollettis durch U-Bahnen, weil weniger Leute schwarzfahren. Das freut die Fahrgastlobby: Kontrolleure müssten Kunden mit falschem Ticket helfen, statt sie abzukassieren

von GITTE DIENER

Weniger Kontrollen, größere Kulanz: Im vergangenen Jahr haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die Zahl der Fahrausweiskontrollen verringert. Ein Grund für diese Entscheidung sei die mittlerweile niedrige Schwarzfahrerquote von etwa drei Prozent, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz gestern. „Unter diese Quote kommt man auch nicht mit mehr Kontrollen.“

In Zahlen heißt das: Im Jahr 2004 wurden rund 584.000 Schwarzfahrer erwischt, im vergangenen Jahr waren es nur noch gut 414.000. Durch diese entstünde der BVG ein jährlicher Verlust von 20 Millionen Euro, so Reetz. Bei diesem Betrag lohne es sich für die BVG nicht, die Dichte der Kontrollen so hoch wie in der Vergangenheit zu belassen. Zum anderen bedeuteten viele Kontrollen auch „eine emotionale Belastung für den Fahrgast“, so die BVG-Sprecherin.

Statistisch fasst die BVG „Schwarz-“ und „Graufahrer“ zusammen. Als „Graufahrer“ bezeichnet man die Kunden, die zwar einen Fahrschein gekauft haben. Während einer Kontrolle stellt sich dann jedoch heraus, dass der Kunde zum Beispiel den falschen Tarif gewählt hat. Sie machten 2006 etwa 21 Prozent der Schwarzfahrer aus.

In solchen Fällen seien die Fahrscheinkontrolleure angehalten, kulanter zu sein und „auf ihr Bauchgefühl zu hören“, sagt Reetz. Habe etwa ein Tourist vergessen, seine Karte vor der Fahrt zu entwerten, reiche es, ihn über seinen Fehler aufzuklären. In der Praxis berichten erwischte Kunden immer wieder Gegenteiliges. Die bei privaten Sicherheitsfirmen angestellten Kontrollettis sind angehalten, in kurzer Zeit möglichst viele zu erwischen – um ihre Kulanz ist es schlecht bestellt.

Christfried Tschepe vom Fahrgastverband Igeb begrüßt die Entscheidung: „Uns schien die hohe Kontrolldichte übertrieben.“ Noch wichtiger sei aber das Verhalten der Kontrolleure. Habe ein Kunde einen falschen Tarif ausgesucht, wäre es wünschenswert, ihm am Automaten den richtigen zu zeigen. In der Vergangenheit waren immer wieder Kontrolleure durch rüpelhaftes Verhalten aufgefallen.

Handgreifliche Auseinandersetzung bleiben allerdings krasse Einzelfälle. Vor dem Kriminalgericht Moabit müssen sich seit gestern zwei ehemalige Kontrolleure verantworten. Den zwei Angeklagten Dennis B. und Fabian K. wird vorgeworfen, 2003 während ihres Dienstes Fahrgäste schwer verletzt zu haben – Dennis B. wird in fünf Fällen beschuldigt, Fabian K. in einem Fall. Beide waren 2003 Angestellte eines privaten Sicherheitsdienstes und für die BVG tätig.

In der Verhandlung schilderte der Geschädigte Christian S. seinen Fall: Im März 2003 habe er die U-Bahn betreten wollen, als sich ihm ein Kontrolleur in den Weg stellte. Christian S. bekundete, ihn nicht als BVG-Angestellten erkannt zu haben. Der Aufforderung, sich auszuweisen, sei der Angestellte nicht nachgekommen. Als Christian S. an der nächsten Station ausstieg, sei er von hinten angesprungen und in den Würgegriff genommen worden. Anschließend habe man ihn zum BVG-Aufsichtshäuschen gebracht. Dort sei er, so Christian S., mit dem Kopf an den Türrahmen gestoßen worden.

Der Prozess ist Teil der Verhandlung gegen neun Ex-Kontrolleure. In sieben Fällen wurden die Urteile 2006 gesprochen. Einer der Kontrolleure bekam 15 Monate auf Bewährung.