Biermann geehrt, Wowereit degradiert

Wolf Biermann wird Ehrenbürger von Berlin. Vergrätzte PDS will sich der Würdigung nicht in den Weg stellen

BERLIN taz ■ Nun also doch. Wolf Biermann wird Ehrenbürger von Berlin. Der das Ruder in letzter Minute herumgerissen hat, war allerdings nicht Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Es war der neue starke Mann der Berliner SPD, Michael Müller.

Anders als Wowereit hat der Fraktions- und Landesvorsitzende der SPD erkannt, dass ein neuerliches Nein zu Biermann nicht nur der Stadt, sondern auch der Berliner SPD geschadet hätte. Also hat Müller seine Meinung revidiert. „Kein Fähnchen-gegen-den-Wind-Halten war das“, meinte SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller, „sondern ein Beispiel von Politikfähigkeit.“

Was der Fraktionssprecher nicht sagt: Offenbar hat es genau an jener Politikfähigkeit Wowereit gemangelt. Der Regierende Bürgermeister, dem ohnehin eine gewisse Beratungsresistenz nachgesagt wird, musste deshalb, wie es offiziell heißt, von Müller „überzeugt werden“. Wie schwer dies Wowereit gefallen sein musste, zeigte sich während der Fraktionssitzung am Dienstag, bei der 45 von 50 Abgeordneten für Biermann stimmten. Wowereit hat während der Diskussion kein einziges Wort gesagt.

Müller hat sich aber nicht nur gegen Wowereit gestellt, sondern auch gegen den Koalitionspartner. Der PDS blieb auf ihrer Fraktionssitzung am Dienstagabend nichts anderes übrig, als gute Mine zum bösen Spiel zu machen und anzukündigen, sich in Sachen Ehrenbürgerwürde an Biermann im Parlament enthalten zu wollen.

Das aber führt nun zum offenen Streit bei den Genossen. Von „peinlichem Herumgeeiere“ spricht der PDS-Abgeordnete Wolfgang Brauer. Er sagt offen, was der eigentliche Grund für die Biermann-Kritik der SED-Nachfolgepartei ist: „Ich weiß nicht, warum ich jemanden zum Ehrenbürger wählen soll, der unsere Wähler verunglimpft.“

In der Berliner SPD wiederum nimmt man Töne wie diese inzwischen ernst. Offenbar distanziere sich die PDS nicht mehr in jenem Maße von der SED-Vergangenheit, wie sie es in der ersten rot-roten Koalition getan hat, grantelt mancher Sozialdemokrat. Ein Indiz dafür: die Rede des PDS-Landeschefs Klaus Lederer am Grab des ehemaligen Stasi-Vizes Markus Wolf.

Wolf Biermann hat indes angekündigt, dass er die Berliner Ehrenbürgerwürde „sehr gerne“ annehmen würde. FLEE, WERA

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