Pestizid-Cocktail in Südfrüchten

90 Prozent aller Pfirsiche enthalten Gift-Rückstände, jeder sechste ist stärker belastet als erlaubt, ermittelte das Bundesamt für Verbraucherschutz. Schadstoffe auch in Babynahrung. Doch welche Anbieter betroffen sind, erfahren die Kunden nicht

„Vorsorgender Verbraucherschutz sieht anders aus“, kritisiert Foodwatch

AUS BERLIN MALTE KREUTZFELDT

Über 10 Prozent der in Deutschland verkauften Pfirsiche und Orangen aus konventionellem Anbau enthalten mehr Pestizidrückstände als gesetzlich erlaubt. Das geht aus dem „Lebensmittel-Monitoring 2005“ hervor, den das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gestern zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin vorgestellt hat. Bei Pfirsichen enthalten nur 10 Prozent keine Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. Die übrigen sind mit bis zu 10 verschieden Stoffen belastet; rund 15 Prozent der Früchte überschritten die gesetzlich zulässigen Grenzwerte. „Das ist eine Verdopplung gegenüber dem Jahr 2002“, sagte BVL-Präsident Christian Grugel.

Ein ähnliches Bild ergab sich bei Orangen: 90 Prozent erhalten Rückstände, 12 Prozent mehr als die erlaubten Höchstmengen, allerdings zum Großteil in der Schale und nicht im Fruchtfleisch. Bei Birnen wurde der Grenzwert in rund 5 Prozent der Proben überschritten.

Nur am Beispiel von Tomaten wurden Unterschiede zwischen konventionellem und ökologischem Anbau untersucht. Während konventionelle Tomaten in 55 Prozent der Fälle mit mehreren Pestiziden belastet waren und in 5 Prozent der Fälle die Höchstwerte überschritten, lag die Ökoware in keinem Fall über dem Grenzwert. Rückstände mehrerer Pestizide wurden dort in 8 Prozent der Fälle gefunden; in vielen Fällen habe es sich aber um Bromid gehandelt, das auch auf natürlichem Weg auf die Früchte gelangt sein könnte, so das BVL.

In Säuglings- und Kleinkindernahrung sowie Fertiggerichten wurde häufig Furan nachgewiesen. Dieses Molekül, das besonders beim Erhitzen von geschlossenen Lebensmitteln entsteht, wird von der Weltgesundheitsorganisation als möglicherweise krebserregend eingestuft. Eine akute Gesundheitsgefährdung sei bei den gefundenen Mengen allerdings nicht gegeben, sagte BVL-Referent Rainer Binner.

Konkrete Maßnahmen gegen die hohen Belastungen nannte das Bundesamt bei der Vorstellung der neuen Werte nicht. „Die betroffenen Hersteller sollten alles unternehmen, die Belastung ihrer Produkte weiter zu reduzieren“, sagte Grugel lediglich allgemein. Zudem empfahl der BVL-Präsident Handelsunternehmen und Importeuren, durch Kontrollen im Anbauland noch vor der Ernte sicherzustellen, dass die von ihnen verkauften Lebensmittel den rechtlichen Vorgaben entsprechen.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ist mit der Informationspolitik des Bundesamtes nicht zufrieden. „Die Ergebnisse sind zu alt, und die Menschen erfahren nicht, welche Hersteller und Händler konkret betroffen sind“, kritisiert Sprecherin Barbara Hohl. „Vorsorgender Verbraucherschutz sieht anders aus.“ Foodwatch fordert eine schnelle Veröffentlichung von Testergebnissen, etwa im Internet, und einen Hinweis auf Pestizidbelastung direkt am Produkt.

Beim Lebensmittel-Monitoring untersucht das Bundesamt in Zusammenarbeit mit den Bundesländern jährlich 15 bis 20 Lebensmittelgruppen auf Schadstoffe wie Pestizide, Schwermetalle, Nitrat, Schimmelpilze und Dioxine. 2005 wurden insgesamt 5.200 Proben analysiert.