Petition der Blogger

Das sogenannte Olympiaschutzgesetz ermöglicht es dem Deutschen Olympischen Sportbund, Firmen abzumahnen, die mit den fünf Ringen werben. Im Internet formiert sich nun Widerstand dagegen

Seit 2004 wurden in rund 260 Fällen, in denen ein kommerzieller Hintergrund erkennbar war, Abmahnungen ausgesprochen

Von Markus Völker

Basisdemokratie ist eine feine Sache. Das hat sich auch Jochen Gottwald aus Bamberg gedacht und eine Petition verfasst. Das Schriftstück hat er an den Deutschen Bundestag gesandt. Dort liegt es nun, beim Petitionsausschuss. Wer will, kann Gottwalds Anliegen bis zum 8. Februar unterstützen. Er möchte das Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Ringe, das sogenannte Olympiaschutzgesetz, ersatzlos streichen lassen. „Dieses Gesetz stößt mir sauer auf“, sagt der Politikwissenschaftler.

Es wurde im Zuge der Leipziger Olympiabewerbung verabschiedet. Geschützt sind nicht nur die olympischen Ringe, sondern auch die Begriffe „Olympiade“, „Olympia“ und „olympisch“. Dritten ist es untersagt, diese Wörter im „geschäftlichen Verkehr“ zu nutzen, sei es in der Werbung, im Marketing oder gar im Firmennamen. Die Ringe dürfen auch nicht auf Vereinszeichen oder Vereinsfahnen auftauchen. Das hat der Gesetzgeber streng geregelt. Die Leipziger Bewerbung sollte bestens gerüstet in das Rennen um die Sommerspiele gehen.

Leipzig ist längst Vergangenheit, doch eine Altlast, das Olympiaschutzgesetz, ist geblieben. Sehr zum Ärger von Gottwald, 33: „Jede Firma muss zum Markenamt gehen“, schimpft er, „nur das Nationale Olympische Komitee geht zu seinen Lobbyisten in der Politik und im Bundestag und macht die Sache klar.“ Gottwald hält das Gesetz für überzogen, ja für verfassungswidrig. „Das Gesetz widerspricht dem öffentlichen Interesse an Gebrauch und Verwertung dieser kulturell verwurzelten und für die Allgemeinheit bedeutungsvollen Begriffe. Es ist kein wichtiger Grund ersichtlich, das Recht der Allgemeinheit auf Verwendung dieser Begriffe zu beschränken“, hat er in seiner Petition geschrieben.

Gottwald ist Mitglied im großen, weiten Netz. Er ist ein Blogger. In dieser Sphäre des Internets schreiben Leute Tagebücher, tauschen sich aus – und formulieren gleichfalls Gesetze, implizit, versteht sich. Das Gesetz der Netzdemokratie besagt, dass alles geht. Stehen Inhalte einmal online, dann sind sie frei verfügbar. Schutzrechte, die der Persönlichkeit etwa oder des geistigen Eigentums, interessieren die Blogger wenig. Gezahlt wird mit der Währung „Respekt“ in der Blogosphäre. Nun wäre nichts dagegen einzuwenden gewesen, wenn Gottwald in seinem Blog (www.word2go.blogsome.com) ein bisschen über die Olympischen Spiele philosophiert hätte.

Daran hätte sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), Nachfolger des NOK, wohl kaum gestört. Doch beim Treiben des „Saftblogs“ schritt der Sportbund ein. Der Saftblog („Trinkt mehr Obst“) wird von der Saftkelterei Walther im sächsischen Arnsdorf betrieben. Die Saftblogger stellten schon vor Monaten die Ringe auf ihre Seite, und auch die verbotenen „Wortmarken“ nutzten sie. Die Anwälte des DOSB schritten ein. Die Firma wurde abgemahnt. Gegenstandswert: 150.000 Euro. Die Saftblogger waren mächtig erzürnt und mobilisierten befreundete Netzaktivisten. Die Nachricht tröpfelte durchs Internet und sickerte selbst in entlegene Winkel. Der Saftblog gab sich als Hüter der Netzdemokratie aus. Nach Ansicht der Gemeinde wurde das ungehemmte Bloggen durch den DOSB und dessen Schutzgesetz verhindert. Also riefen die Blogger beim Sportbund an, immer wieder, bis so mancher Pressesprecher entnervt war und nicht mehr behelligt werden wollte.

Auch E-Mails gingen dutzendfach beim Sportbund ein. Die Blogger hatten mobil gemacht. Das ging so weit, dass DOSB-Pressesprecher Michael Schirp selbst zum Blogger wurde. „Da gibt’s Trittbrettfahrer, die gibt’s gar nicht“, schrieb er in einem Beitrag und versuchte klarzustellen, dass es dem DOSB nicht darum ginge, einen Gastwirt, „der den Olympia-Spieß grillt“, abzumahnen. Schirp gab sich Mühe, den DOSB vom Vorwurf des Abzockens freizusprechen. Aber die Blogger konterten: Da habe es doch den Metzgermeister Ludger Freese aus Visbek gegeben, der sein griechisches Bauernhacksteak feilbieten wollte – und nicht durfte.

Das Rauschen im Netz wurde immer lauter. So hörte auch Jochen Gottwald vom Saftladen. Schnell hatte er sich kundig gemacht, dass einige Sportrechtler das Gesetz für verfassungswidrig halten, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt sei. Schnell stieß er auch auf ein Urteil des Darmstädter Landgerichts vom Herbst 2005, vor dem der Rechtsstreit des NOK mit dem Konzern British American Tobacco (BAT) und dessen Zigarettenmarke Lucky Strike verhandelt worden war. Das Unternehmen obsiegte übers NOK.

Die Richter schrieben in ihrer Begründung: „Die Bedenken der Beklagten über die Verfassungsgemäßheit des Olympiaschutzgesetzes sind gerechtfertigt.“ Und weiter: „Bei den fünf olympischen Ringen handelt es sich um ein menschheits- bzw. kulturgeschichtliches Symbol.“ Das Gesetz sei zudem auf Druck des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zustande gekommen, mutmaßte das Darmstädter Gericht. Das NOK legte Revision ein, der Fall wurde ans Oberlandesgericht Frankfurt verwiesen, doch die Berufung wurde später zurückgenommen, obwohl NOK-Anwalt Ralf Alexander Schäfer vollmundig ankündigt hatte: „Wir gehen bis zum Bundesverfassungsgericht.“

Spricht man heute mit dem DOSB über die Sache, ist zunächst nur ein Hintergrundgespräch möglich. Die Presseabteilung bittet im Anschluss darum, die Fragen zum Fall schriftlich zu formulieren, man werde sich beraten und antworten. Die Antwort kommt schon nach zwei Tagen. Darin heißt es: „Formal ist die Petition das von der Verfassung vorgesehene gute Recht des Petenten. Inhaltlich gründet sie auf falschen Voraussetzungen.“

Erneut wehrt sich der DOSB gegen den Vorwurf der Abzocke. „Es geht uns nicht um Abmahnungen, sondern um etwas völlig anderes“, so der Sportbund. „Wir möchten Unternehmen oder Einzelpersonen als Sponsoren gewinnen, die mit den olympischen Symbolen werben und so die gemeinnützigen Ziele des Sports unterstützen helfen. Aus diesem Grund schützen wir die Markenrechte derjenigen, die bereit sind, die Aktivitäten des Sports zu unterstützen. Diesen Markenschutz zu gewährleisten, verpflichtet sich der DOSB in seinen Sponsorenverträgen.“

Überdies gehe es dem Sportbund nicht darum, „bei der Marktbeobachtung Kasse zu machen“, was daran zu erkennen sei, dass die Kosten für die Marktbeobachtung die tatsächlichen Abmahngebühren übersteigen würden. Die überwiegende Zahl der Fälle werde ohnehin „von vornherein aussortiert“ und erhalte in der Regel ein Schreiben mit der Bitte, die Ringe nicht mehr zu verwenden. Nichtsdestotrotz wurden in rund 260 Fällen, in denen ein kommerzieller Hintergrund erkennbar war, seit 2004 Abmahnungen ausgesprochen. Großunternehmen und Agenturen sind seltener als Mittelständler betroffen, „weil sie in der Regel über die Bestimmungen des Olympiaschutzgesetzes informiert sind“.

Der Saftblog, Teil des Kleinunternehmens Walther, steht vor einer Einigung mit dem Sportbund. Es geht nur noch um einen dreistelligen Betrag. Und Gottwald hofft auf einen Erfolg seiner Petition. „Ich wollte einfach ein bisschen Druck machen“, sagt er. „Wenn genügend Unterschriften geleistet werden, tut sich in Berlin vielleicht was.“ 932 Leute haben bisher unterschrieben. Jochen Gottwald ist ein bisschen enttäuscht.