Läuferin schlägt König

AUS MÜNCHEN DOMINIC SCHOTTNER

Sie ist für den Katastrophenschutz zuständig. Wenn wie gestern in ihrem Landkreis ein Baum wegen Sturm auf ein Auto fällt, dann muss die 49-jährige Gabriele Pauli dafür sorgen, dass die Feuerwehr parat steht, um Baum und Auto zu entsorgen. Wenn aber ein Orkan durch München fegt und dabei den so tief verwurzelt geglaubten Edmund Stoiber aus seinen Ämtern reißt, dann ist, genau, wieder Pauli verantwortlich. Wenigstens ein bisschen.

Sie wird sich wehren gegen diesen Vorwurf, die Verantwortliche zu sein für den Niedergang Edmund Stoibers. Sie, die just gestern mit dem Nochministerpräsidenten zu einem klärenden Gespräch in der CSU-Zentrale in der Nymphenburger Straße zusammentraf. Sie, die „schöne Rebellin“ (Münchner Abendzeitung) mit der sanften Stimme und den manikürten Fingernägeln, mit dem feuerroten Haar und der Topfigur. Sie, die eine rote 125-PS-Ducati fährt, was für eine CSU-Politikerin ja nach wie vor ungewöhnlich ist. Sie also wird sich wehren und sagen: „Ich habe doch nur meine Meinung gesagt.“

Fürwahr: Eine Meinung hat sie, die „Gabi“, wie sie der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Joachim Herrmann, zuletzt einmal unerwartet nannte. Und die Meinung lautete bis gestern: Stoiber muss weg, am besten sofort. Doch anders als viele CSU-Männer es insgeheim von einer Frau nach wie vor erwarten, hatte Gabriele Pauli eben nicht mit ihrer Meinung hinterm Busch gehalten. Stattdessen hat sie Anfang November ein Internetforum geschaltet – ein Anti-Stoiber-Forum. Schnell habe sie viel Unterstützung bekommen, sagte sie der taz im Interview vor zwei Wochen. Dann kamen beleidigende Zuschriften, und schließlich habe sie das Forum geschlossen. Das war der Wendepunkt, der Anfang vom Ende des Edmund Stoiber. Am Anfang stand die Spitzelaffäre.

Jetzt nämlich checkte man in Stoibers Staatskanzlei, dass da jemand weitab von München den verstreuten Unmut über den Landesvater kanalisierte und in die Welt hinausblies. Michael Höhenberger, Büroleiter Stoibers, bekam das mit und rief einen von Paulis höchsten Beamten im Landratsamt an. Irgendwas müsse man der Pauli doch anhängen können: Männer, Alkohol … Aber der Mitarbeiter hielt dicht. Weil es nichts zum Anhängen gab, wie der Vorsitzende von Paulis CSU-Ortsverband Zirndorf, Michael Maderer, später bestätigte.

Sechs Tage vor Heiligabend, am 18. 12. 2006 beschuldigt Pauli dann während einer Sitzung des CSU-Vorstands Edmund Stoiber offen der Spitzelei. „Wir waren alle wie gelähmt“, sagt Vorstandsmitglied Barbara Stamm später. Vier Tage später ist Stoibers Büroleiter seinen Job los. Ein Bauernopfer.

Aber Stoiber weigert sich immer noch beharrlich, mit seiner ärgsten Kritikerin zu sprechen: „Frau Pauli ist nicht die CSU und wird es niemals werden.“

Eigentlich aber hat Pauli schon lange zu den Kritikern Stoibers gehört. Nur gehört wurde sie nie, in 17 Jahren Mitgliedschaft im CSU-Vorstand nicht, in den 16 Jahren als Fürther Landrätin auch nicht. Ihr vorzuwerfen, sie sei nicht die CSU, entbehrt jeder Grundlage: Bei der letzten Wahl vor einem Jahr bekam sie 65 Prozent der Stimmen. Das ist auch für CSU-Verhältnisse überragend. Wer, wenn nicht sie, ist die CSU?

Im Gespräch mit der Zeit sagte Pauli einmal: „Ich lebe im Bewusstsein, mir kann nichts passieren.“ Im selben Bewusstsein hat Edmund Stoiber auch viel zu lange gelebt.

Jetzt ist Stoiber bald weg. Und Gabriele Pauli kann sich wieder umgefallenen Bäumen und löchrigen Kreisstraßen widmen. Denn ein hohes Amt hatte sie nicht im Kopf, als sie ihren Kampf gegen Stoiber aufnahm: „Ich werde im Jahr 2008 kandidieren – für das Amt der Landrätin des Landkreises Fürth.“ Bei Stoiber klang das so: „Deswegen habe ich mich entschlossen, zu den Landtagswahlen 2008 nicht mehr anzutreten.“ Ziel erreicht, Frau Pauli.