Bilder einer Lüge

Nicht nur Texte erzählen Unwahrheiten: In einer Ausstellung zeigt das Focke-Museum Fotos, die Informationen manipulieren

von Nina Kim Leonhardt

Es ist ein und dasselbe Bild. Doch durch einen einfachen Schnitt bekommt es zwei gegensätzliche Aussagen. Während der Mann in der linken Bildhälfte gleich erschossen zu werden droht, wird er in der rechten mit rettendem Wasser versorgt. Allein der Bildausschnitt entscheidet über die Bildaussage: Leben oder Tod. Nicht nur durch das Retuschieren werden Bilder manipuliert, sondern auch durch das gezielte Weglassen von Informationen.

„Bilder, die lügen“ heißt eine Wanderausstellung, die seit vier Jahren durch Deutschland tourt und bis zum 15. April im Focke Museum gastiert. Jürgen Reiche, verantwortlicher Kurator vom Haus der Geschichte in Bonn, hat das Konzept entwickelt. Er hat sich dabei gegen eine chronologische Ordnung, für eine stichwortartige Auffächerung des Themas entschieden. So ist ein kleines Alphabet der Fälschungen entstanden – mit einem H für Hitler-Tagebücher und einem Y für Yellow Press.

Die BesucherInnen sollen sich häppchenweise an 26 Stationen über alte und neue Formen der Manipulation am Bild informieren. „Wir wollen die Sensibilität im Umgang mit Bildmedien erhöhen. Bildliche Quellen sollten genauso kritisch betrachtet werden wie schriftliche“, so Reiche.

Diesen leicht pädagogischen Ansatz merkt man der Ausstellung an. Die bunten Plastikstellwände, die als Parzellen den dunklen Raum durchteilen, erinnern an ein Berufsinformationszentrum. Die bereits geladenen Schulklassen werden sich bestens zurechtfinden.

Zwischendurch kann man über Zitate von berühmten Persönlichkeiten nachdenken. Etwa den Ausspruch Otto von Bismarcks, es werde nie so viel gelogen wie während des Krieges, vor der Wahl und nach der Jagd. Berechtigterweise nimmt die Kriegsberichterstattung dann auch einen großen Teil der Ausstellung ein. Dabei wird nicht nur deutlich, wie Bildmanipulationen technisch funktionieren oder wie durch falsche Bildunterschriften die Aussage einer Aufnahme ins Gegenteil verkehrt werden kann, sondern es wird auch der Begriff des „journalistischen Ethos“ thematisiert. Wo hören vertretbare Verstärkungen der Bildwirkung auf – und wo beginnt die Manipulation?

Der Buchstabe B steht dabei für ein extremes Beispiel reiner Inszenierung. B wie Born widmet sich dem freien Journalisten und Kameramann Michael Born, der Mitte der 90er Jahre frei erfundene Reportagen über PKK, Ku-Klux-Klan oder neue In-Drogen erfolgreich an unterschiedliche Fernsehsender verkaufte. Neben den teilweise recht amüsanten Originalreportagen sind in der Ausstellung auch Requisiten aus seinen Filmen zu sehen, etwa eine Ku-Klux-Klan-Kutte oder ein anklebbarer Bart. Die Station „Born, Michael“ problematisiert daneben beiläufig die Strukturen des medialen Marktes. „Wir wollen Blut sehen. Menschen wollen Blut sehen. Man muss nicht nur zeigen, wie Bilder gefälscht werden, sondern auch warum. Da heißt es ein Stück weit, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen“, sagt Reiche.

Dass dabei seitens des Publikums nicht nur der Wunsch nach Dramatik und Nervenkitzel, sondern auch nach Überhöhung und Identifikation besteht, wird an einer anderen Station deutlich. Bei I wie Ikone findet sich ein Bild, dass anlässlich des neuen Clint-Eastwood-Films „Flags of Our Fathers“ gerade durch die Presse geistert. Es handelt sich um die Aufnahme von Joe Rosendahl, die amerikanische Soldaten am 23. Februar 1945 beim Aufstellen der amerikanischen Flagge auf der japanischen Pazifikinsel Iwo Jima zeigt. Dieses Bild ist zwar nicht gefälscht, es handelt sich aber um eine nachträgliche Inszenierung, die die Absicht zu ihrer späteren Vermarktung und Ikonisierung bereits in sich trägt. Die enorme Ausstrahlungskraft des Fotos wurde von den USA gezielt für politische Zwecke eingesetzt. Das beigestellte Zitat von Bill Gates, dem Gründer von Microsoft sagt: „Wer die Bilder beherrscht, beherrscht die Köpfe.“ Recht hat er.

Bis 15. April