Außenminister in Fesseln

Frank-Walter Steinmeier will sich nur im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Fall Kurnaz äußern

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Der Außenminister wird immer mehr zum Minister für Verteidigung – in eigener Sache. Die Debatte darüber, ob Frank-Walter Steinmeier als Chef des Kanzleramts in der rot-grünen Regierungszeit eine frühere Freilassung des einstigen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz verhindert hat, drängt die aktuelle Tätigkeit des SPD-Politikers zunehmend in den Hintergrund. Dass Steinmeier gestern eine EU-Sitzung in Brüssel leitete, bei der es um Iran und Somalia ging, interessierte bei der Regierungspressekonferenz in Berlin niemanden. Das alles dominierende Thema, zu dem sein Sprecher Jens Plötner und Regierungssprecher Thomas Steg befragt wurden, war der Fall Kurnaz.

„Sie bringen mich in eine schwierige Situation“, entfuhr es Plötner, als eine Journalistin wissen wollte, warum Steinmeier bisher keinen Versuch unternommen habe, die Vorwürfe mit einer eigenen Stellungnahme zu entkräften. Er bezweifle, dass sich die Medien mit einem kurzen Statement zufrieden gäben. Ebenso wie Steg verzichtete er trotz mehrfacher Nachfragen auf ein Dementi des zentralen Vorwurfs, wonach Steinmeier von 2002 bis 2005 aktiv daran beteiligt gewesen sein soll, eine Rückkehr des in Bremen geborenen Türken Kurnaz nach Deutschland zu verhindern, obwohl amerikanische und deutsche Sicherheitsbehörden längst von seiner Unschuld überzeugt waren. Kurnaz wurde erst im August 2006 aus Guantánamo entlassen.

Ob die USA vorher, wie spekuliert wird, unerfüllbare Bedingungen stellten? Dazu gibt es bisher keine offizielle Antwort. Um das Verhalten Steinmeiers und der rot-grünen Regierung zu bewerten, müsse man den „Gesamtzusammenhang“ darstellen, so Plötner. Dies werde Steinmeier aber nur im BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags tun. Der Minister hoffe, dass seine Zeugenaussage „so zügig wie möglich“ stattfinden könne, also vielleicht auch früher als bisher geplant im März. Steinmeier werde aber nicht von sich aus an die Öffentlichkeit gehen, sondern auf eine Einladung des Ausschusses warten. Das gebiete zum einen der Respekt vor dem Parlamentsgremium, zum anderen aber auch der „Aspekt der Geheimhaltung“. Damit machte Steinmeiers Sprecher deutlich, dass auch bei einem Auftritt im Untersuchungsausschuss die Öffentlichkeit zumindest teilweise ausgeschlossen werden müsste. Einige Dokumente, die zur Bewertung der Geschehnisse nötig seien, seien als vertraulich oder geheim eingestuft. Dies sei auch richtig so. Schließlich dürfe die Kooperation mit Nachrichtendiensten aus anderen Ländern nicht gefährdet werden: „Das legt uns in der Darstellung des Falls Fesseln auf.“

Inzwischen verlieren jedoch selbst Steinmeiers jetzige und frühere Koalitionspartner die Geduld. „Es ist schon ziemlich dreist, wenn Steinmeier jetzt so tut, als ob er immer aufklären wollte“, sagte der grüne Ausschuss-Obmann Christian Ströbele der taz. Er habe Steinmeier schon im vergangenen Jahr Fragen nach Kurnaz gestellt, aber keine Antwort erhalten. Es gebe „gravierende Anhaltspunkte“, dass Innenministerium und Kanzleramt sich „erheblich bemüht haben, die Einreise von Kurnaz zu verhindern“, sagte Ströbele. „Niemand von uns wird sich an einer Vertuschung von Vorwürfen beteiligen, nur um des lieben Koalitionsfriedens“, sagte CDU-Vertreter Hermann Gröhe. „Sollte einem Unschuldigen bewusst der Schutz der Bundesrepublik versagt worden sein, muss das aus meiner Sicht zu Konsequenzen führen.“ Gröhe kritisierte Steinmeiers Schweigen. Eine rasche, „politische Aussage des Ministers“ wäre überhaupt keine Brüskierung des Ausschusses“, sondern hilfreich.