SPD sucht Strohleute

Gesundheitsexperten fahnden nach Ersatz, damit sie selbst im Ausschuss nicht für die Reform stimmen müssen

BERLIN taz ■ In der SPD-Fraktion herrscht akuter Personalmangel: Gesucht werden Stellvertreter, die am 31. Januar im Gesundheitsausschuss die Hand heben, damit die gleichnamige Reform ins Parlament kommt. Die Mehrheit der elf sozialdemokratischen Abgeordneten, die im Ausschuss sitzen, findet es nämlich nicht mit ihrem Gewissen vereinbar, selbst mit Ja zu stimmen.

Der Gesundheitsausschuss ist seit November damit beschäftigt, Änderungen und Empfehlungen in den 550-Seiten starken Gesetzentwurf einzuarbeiten. Die Koalitionsparteien verfügen über eine Mehrheit von sieben Stimmen im Ausschuss. Sollten sie die Abstimmung verlieren, würde das die Reform verzögern und der Opposition eine Steilvorlage für Spott und Häme liefern. Zur Fraktionsdisziplin gehört deshalb, dass die Abgesandten nicht gegen eigene Gesetze stimmen. Also muss die Mehrheit gesichert werden – egal wie.

„Bei den Stellvertretern herrscht großes Gedränge“, bestätigt Ausschussmitglied Wolfgang Wodarg. Er hat einen Vertreter gefunden und so sein Gesicht gewahrt: „Wie sieht man denn aus, wenn man einmal dafür und einmal dagegen votiert?“ Am 2. Februar stimmt der Bundestag über die Reform ab. Dann kann Wodarg dagegen stimmen, weil die Koalition eine satte Mehrheit hat. Auch der SPD-Gesundheitsfachmann Karl Lauterbach hat sich für den nächsten Mittwoch bei Fraktionschef Peter Struck entschuldigt. Der muss jetzt nach einem Ersatzmann suchen.

Die pflegepolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, sieht sich selbst um: „Ich werde dieser Reform nicht zustimmen, da ist es logisch, dass ich einen Stellvertreter brauche.“ Mattheis liegt wie vielen anderen GenossInen der leise Abschied von der Solidarität auf der sozialdemokratischen Seele. Dass die Reform schon im Ausschuss scheitert, hält die Ausschussvorsitzende Martina Bunge (Linkspartei) für unwahrscheinlich: „Das habe ich in 17 Jahren Politik noch nie erlebt.“ Bunge selbst wird dagegen stimmen: „Natürlich.“

ANNA LEHMANN