Manifestierte Gefahr von Rechts

Die Zahl rechter Straftaten ist in Hamburg drastisch angestiegen. SPD-Opposition wirft dem Senat Bagatellisierung der rechten Gefahr vor und fordert eine „Offensive gegen rechts“ in der Stadt

VON PETER MÜLLER

Hamburgs Sozialdemokraten schlagen Alarm und fordern eine „Offensive gegen rechts“. Hintergrund: Die rechte Szene agiert in der Hansestadt offensichtlich immer hemmungsloser und agiler. Laut einer kleinen Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion registrierte die Polizei im vorigen Jahr 379 rechte Straftaten. Das ist ein Anstieg um fast 36 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, in dem es 279 rechte Delikte gewesen seien. „In Hamburg wurde 2006 rechnerisch an jedem Tag eine rechtsextreme Straftat registriert“, konstatiert der SPD-Innenexperte Andreas Dressel. „Die Kriminalität am rechten Rand hat die am linken deutlich überholt.“

Bei der Beantwortung der kleinen Anfrage tat sich die Polizei schwer. Zwar gebe es seit 2006 bei der Erfassung von politisch motivierten Delikten ein zentrales Erfassungssystem beim Bundeskriminalamt, eine detaillierte Bewertung von Einzeldelikten könne jedoch nun durch aufwendige Auswertungen von Akten erfolgen. Dennoch sind die Zahlen für den SPD-Abgeordneten Dressel aufschlussreich. Neben den häufig bagatellisierten so genannten Propagandadelikten – Hakenkreuzschmierereien, Volksverhetzung, Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen – ist auch die Zahl rechter Gewalttaten in dem Zeitraum um 35 Prozent von 20 auf 27 Taten gestiegen. Im Gegenzug listet der Senat auf, dass die Polizei im Vorjahr 15 Straftaten der linken Szene registriert habe, was einen Rückgang zum Vorjahr von 48 Prozent entspricht. Ebenfalls rückläufig sei auch die Zahl der von Ausländern verübten politischen Delikte. „Die Zahlen des Senats dokumentieren die sich immer stärker manifestierende Gefahr von rechts“, sagt Dressel und warnt den Senat davor, die Entwicklung „zu unterschätzen“.

Trotz der allgemeinen Terrorangst und der angespannten Lage vor dem G8-Gipfel dürfte die rechte Gefahr nicht unter den „Teppich gekehrt“ werden. Dazu gehöre auch, dass die Innenbehörde über juristische Möglichkeiten gegen Rechts aufkläre. Dressel: „Das betrifft auch den Saalvermieter, der ahnungslos Rechtextremisten die Türen geöffnet hat.“

Den Vorwurf der Verharmlosung weist der Sprecher der Innenbehörde, Marco Haase, zurück. Die Polizei werde auch in Zukunft politisch motivierte Straftaten konsequent verfolgen, sagt Hasse. „Hier wird nichts bagatellisiert.“ Ebenso setze der Verfassungsschutz die Beobachtungen der rechten und linken Szene fort. „Das Engagement gegen den Extremismus, egal von welcher Seite, ist im übrigen die Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen“, so Haases Gleichsetzung, „nicht nur die der Sicherheitsbehörden.“

Das sieht Dressel ebenso und klagt ein gemeinsames Vorgehen „aller gesellschaftlichen Kräfte in Kampf gegen politischen Extremismus“ ein. „Der Senat kann nicht ständig zu Zivilcourage aufrufen, die couragierte Menschen aber im Stich lassen, wenn es ernst wird“, kritisiert der SPD-Mann. Wenn eine DGB-Jugendveranstaltung gegen Rechts auf Druck von Neonazis abgebrochen werden müsse, sagt Dressel „läuft irgendetwas schief in unserer Stadt“.