zwischen den rillen
: Und Satan befahl: Tanzt!

Der Bloggott hat immer Recht: Gute Musik und wirklich gute Musik von The Blood Arm und Clap Your Hands Say Yeah

Es gab einmal eine Zeit, da mussten sich findige Musikredakteure die Hypes ausdenken. Sie sondierten das von der Industrie geschickte Material und beschlossen zum Beispiel: Ach, Rave ist tot, lass uns diese etwas noisigere, verdrogtere Variante auf den Schild heben. Und ihr den Namen Happy Valley geben. Das wird sich dann schon durchsetzen (das war im England der frühen Neunziger und inzwischen gibt es den New Rave und mit etwas Glück wird ein New Happy Valley folgen).

Heute gibt es neue Hypegeneratoren, das sind die Blogger, die über hin- und hergeschickte MP3s und Videofiles beschließen, was das nächste große Ding sein könnte. Die Musikredakteure müssen nicht mehr viel unternehmen, der Hype ist ja schon da. Alles, was sie tun können, ist: gucken, was läuft, dann mal genauer hinhören, ob denn alles so stimmt, wie es Millionen User sagen. Was natürlich sehr praktisch ist, denn Millionen User können nicht irren. Wird also schon gut sein, die Musik.

Im Falle von The Blood Arm aus Kalifornien und Clap Your Hands Say Yeah aus Philadelphia, die bereits ihre zweite Platte veröffentlichen, ist das natürlich auch so. Besonders erstere Band bringen auf ihrem Debüt alles mit, was gerade so geht: Einen cool-euphorischen Sänger, eine hotte Keyboarderin, einen feschen, nach vorne gehenden Sound (der vielleicht mit „Britrock von Amerikanern“ ausreichend umschrieben wäre) und den einen oder anderen Feger, der auf jeder schwarzweiß karierten Tanzfläche für Leute unter dreißig funktionieren wird. Ein wenig klingen die Kalifornier dabei nach den Strokes, nicht nur der Gitarre und des Gesangs wegen. Allein fehlt ihnen das Kaputte, die Kratzer auf der gelackten Seele. Den durchschimmernden Humor hat sich das Quartett aus England abgeschaut, vielleicht sogar von den Arctic Monkeys, obwohl The Blood Arm eben nicht über deren „Blick für Realitäten“ verfügen, um es mal auf politikerdeutsch auszudrücken.

Schlecht ist ihre Platte, die hierzulande mit erheblicher Verspätung erscheint, deswegen aber noch lange nicht. Die Songs sind rund, das Zusammenspiel von E-Piano und Gitarre gefällt, das Ding geht ab. Der Hit der Platte, „Suspicious Character“ mit seinem übermütigen, überschwänglichen Text („I like all the girls, and all the girls like me“), erinnert nicht von ungefähr an Joan Jetts „I Love Rock’n’Roll“. Fazit: Das klingt alles wie ausgedacht, aber eben wie ganz gut ausgedacht.

Hört man dagegen die neue Clap Your Hands Say Yeah, hier im Weiteren nur noch CYHSY abgekürzt, versteht man den Unterschied zwischen ganz guter und wirklich guter Musik. Woran liegt’s? Die Strategie ihres Zweitlings „Some Loud Thunder“ ist: Herausforderung. Die Platte macht es einem nicht einfach. Das gute Stück klingt fast durchgehend blechern und schrottig, besonders auf Alec Ounsworths Stimme liegt oft ein Blechfilter. Es gibt jede Menge Störgeräusche, Fiepser, wackelnde Pianoläufe, herumirrende Gitarren, alles klingt so, als sei es auf einem alten Dreimaster aufgenommen worden, bei hohem Seegang. Aber hinter diesen sperrigen Schichten entwickeln sich, wie sollte es anders sein, sehr große Songs.

Gefühlsmonster und Einblicke in Schräglagen. Dabei laviert die Musik zwischen Traditionsangehauchtem und mühsam aus der Dekonstruktion herausgefischten Songstrukturen. In „Love Song No. 7“ schaffen es die Fünf von CYHSY, wie eine kaputte Version von Supertramp zu klingen (ach, wären die mal so kaputt gewesen!). Das sinistre, um einen Basslauf herumschleichende „Satan Said Dance“ könnte jetzt schon ein Klassiker sein, es ist auch das einzige richtig tanzbare Stück (ein weiterer Unterschied zu The Blood Arm, deren Platte fast durchgehend tanzbar ist). Verglichen werden CYHSY merkwürdigerweise immer mit den Talking Heads, wogegen ja nichts zu sagen ist. Andererseits könnte man Alec Ounsworth auch mit Gordon Gano vergleichen, der knatterigen, weit ausholenden Stimme der Violent Femmes.

Produziert wurde die Platte übrigens von Dave Fridmann, der ja schon für die psychedelische Übermusik von Mercury Rev oder den Flaming Lips mitverantwortlich zeichnete. Das erklärt natürlich auch das plötzlich auftauchende Rumpelschlagzeug oder die weit in der Klangtiefe schwimmenden Akkordwände. Mit „Yankee Go Home“ haben CYHSY übrigens auch für den korrekten Song zur politischen Lage gesorgt. Aber auch sonst bieten sie das tiefgreifendere, umfassendere, emotional und musikalisch vielschichtigere Programm als beispielsweise The Blood Arm. Es kann ja nicht immer nur um Dekadenz und Hochglanz-Jugendlichkeit gehen, die sich betrunken am Strand vergnügt. Manchmal geht es eben auch um alles.

RENÉ HAMANN

The Blood Arm: Lie Lover Lie (Warner) Clap Your Hands Say Yeah: Some Loud Thunder (Wichita/Cooperative Music/RTD)