Aufmüpfigkeit genießbar machen

Am Mittwochabend hatte „De Frau“ in der Berliner Volksbühne Premiere, Jonathan Meeses Debüt als Regisseur

Er hat den BZ-Kulturpreis bekommen. Und weil gerade sein Geburtstag war, hat sich Jonathan Meese ein Lied vom ebenfalls anwesenden Udo Jürgens gewünscht, der prompt „Griechischer Wein“ spielte. Es muss sich gut anfühlen im Olymp: als einer der bekanntesten deutschen Gegenwartskünstler, der seine Botschaft von der unentwegten Revolution verkündet und dafür vom dunklen Springer-Imperium umarmt wird.

Ja, man kann Meese lieben. Wie er am Mittwoch in „De Frau“, seiner ersten Theaterproduktion für die Berliner Volksbühne, ganz in seinem Element ist. Wie er sich in einem zweistündigen Kraftakt neben Vollprofis vom Schlage einer Kathrin Angerer oder eines Bernhard Schütz wacker hält; wie er Textbrocken aus „Mad Max“-Filmen oder von Ezra Pound bellt; wie er hippiesk mit den Armen schlackernd zum schädelharten Rammstein-Metal tanzt – das ist physische, auch verstandesmäßige Überforderung, die dem Zuschauer den Kopf angenehm leer räumt.

Denn meistens passiert bei Meese viel zu viel und zugleich eben auch gar nichts, was von Bedeutung wäre. Im Jahr 2023 haben sieben Personen und eine Strohpuppe auf dem Schlachtfeld Bühne überlebt. Sie spielen Konflikte durch, blödeln mit Popzitaten herum. Alles ist Privatvergnügen und dennoch artifiziell bloßgestellt. Es gibt Handlungen, die mit der Leidenschaft eines Rituals durchexerziert werden: etwa wenn sich Meese und Schütz gegenseitig das Gesicht reiben und währenddessen darüber philosophieren, ob ein Mensch ohne Gesicht denn Humor haben kann. Überhaupt glucken sie ständig zusammen, erinnern manchmal an Dick und Doof und ergänzen sich in ihrer Choreografie als erotisch aufgeladene Männerpaarung.

Auch sonst geht es um Künstlermythen: Darf man sich für Geld und Erfolg korrumpieren lassen? Oder ist nicht genauso blöd dran, wer auf alles verzichtet – und zuletzt von der Geschichte vergessen wird? Ausgesprochen werden die Fragen jedoch nie, nur immerfort ausagiert. Klumpenförmige Gedanken in stummelförmigen Aktionen, kindsköpfiger Plumpaquatsch ist auch dabei. Das Ziel ist: Aufmüpfigkeit genießbar machen. Das schafft derzeit am besten Meese. HARALD FRICKE