Politische Parteien in Thailand vor dem Kadi

Mehr als vier Monate nach dem Militärputsch haben in Bangkok die Anhörungen gegen die Exregierungspartei „Thais lieben Thais“ und die „Demokratische Partei“ begonnen. Bei einem Schuldspruch droht ihnen die Auflösung

BANGKOK taz ■ Die thailändische Justiz wirft der Exregierungspartei „Thais lieben Thais“ (TRT) sowie der „Demokratischen Partei“ (DP) Verstöße gegen das Wahlgesetz vor. Die 1998 von dem mittlerweile entmachteten Premierminister Thaksin Shinawatra gegründete TRT wird beschuldigt, zwei kleinere Parteien bestochen zu haben. Deren Kandidaten sollten sich bei der umstrittenen – und annullierten – Parlamentswahl vom April 2006 als Mitbewerber in diversen Wahlbezirken aufstellen lassen.

Denn die Opposition, darunter die Demokratische Partei, hatte die Wahl boykottiert. Der Urnengang sei nur dazu da, „das System Thaksin zu verlängern“, monierte die DP. Die Folge: In vielen Wahlkreisen hatte die TRT (Thai Rak Thai) damals ohne einen Konkurrenten dagestanden. Um den entsprechenden Bezirk zu gewinnen, hätte jeder TRT-Kandidat mindestens 20 Prozent aller gültigen Stimmen auf sich vereinigen müssen. Wegen des Boykotts aber war ein solches Ergebnis für Thaksins Anhänger in etlichen Regionen nicht in Sicht. Im Gegenzug wirft die Justiz der Demokratischen Partei vor, sie habe eine kleine Partei dazu missbraucht, den Erzrivalen TRT zu diskreditieren.

Bei einem Schuldspruch droht beiden Großparteien die Auflösung. Das wäre allerdings nicht sinnvoll, findet der Politikwissenschaftler Surat Horachaikul von der Bangkoker Chulalongkorn-Universität. „Wenn führende Politiker für schuldig befunden werden, sollten nicht die Parteien bestraft werden, sondern die Personen“, sagt Surat. Sollte ihre alte Partei aufgelöst werden, würden die betreffenden Mitglieder einfach eine neue gründen.

So wie verschiedene Fraktionen der TRT es bereits getan haben. Das bedeutet: Auch wenn es zur Bildung von neuen, politischen Gruppierungen kommt, dürften weiterhin viele altbekannte Strippenzieher das Sagen haben.

Doch genau dieses Szenario will die Militärjunta, die jetzt in 41 von 76 thailändischen Provinzen das Kriegsrecht aufgehoben hat, vermeiden: Die Putschisten vom 19. September 2006 hatten angeordnet, dass im Falle einer Parteiauflösung deren führende Mitglieder für fünf Jahre ihr passives Wahlrecht verlieren sollten.

Diese rückwirkend geltende Verfügung sei juristisch fragwürdig, sagt der Rechtsexperte Prinya Thaewanarumitkul. Beide Parteien aufzulösen, hält auch er „für keine gute Idee“. Von der Wahlkommission abgelehnte Parteimitglieder hätten aber immer noch die Möglichkeit, Berufung einzulegen. Um die von den Militärs diktierten Bedingungen zu umgehen, waren bereits kurz nach dem Putsch etwa 120 führende Politiker aus der TRT ausgetreten.

Thailand will mit der von Korruption und Amtsmissbrauch zersetzten Ära Thaksin aufräumen. Doch Kritiker lehnen den Militärcoup als Mittel zum Zweck weiterhin ab: „Der Putsch war nicht rechtmäßig“, so Prinya Thaewanarumitkul. „Die Verfassung von 1997 wurde aufgehoben, das wirft uns zurück in die Vergangenheit.“ Zumal derzeit noch niemand weiß, wie die neue Verfassung, deren Fertigstellung für Anfang Juli angekündigt wurde, aussehen wird.

Anti-Coup-Aktivisten kritisierten Gedankenspiele, denen zufolge der nächste Premierminister nicht durch Wahlen bestimmt, sondern von bisher nicht näher definierten Vertretern der politischen Elite ernannt werden soll. Dies sei konkretes Indiz dafür, dass der aus Militärs bestehende „Rat für Nationale Sicherheit“ die Macht behalten wolle.

Der Politikexperte Surat Horachaikul hingegen ist optimistisch: „Ich bin davon überzeugt, dass wir noch in diesem Jahr zur Demokratie zurückkehren.“ Im Übergangsparlament säßen viele Abgeordnete, die ihr Leben lang für die Demokratie gekämpft hätten, so Surat: „Nicht durch den Militärcoup wurde die Verfassung entzweigerissen. Das hatte Thaksin vorher schon getan.“ NICOLA GLASS