Machtwechsel im Osten des Kongo

Die Gouverneurswahlen bringen politische Verwerfungen. In der Ostprovinz Nord-Kivu verbünden sich frühere Feinde

GOMA taz ■ „Ich habe mir extra eine Flasche Rotwein gekauft“, sagt der eine Kongolese und grinst. „Heute werde ich feiern.“ Der andere Kongolese lehnt dankend ab. „Ich habe mich gestern schon besoffen.“ Verständnisvoll nickt der erste, bietet seinem Freund Zitronen-Fanta an und steigt selbst auf Whisky um.

So feierten am Sonntag zwei zivilgesellschaftliche Führer im ostkongolesischen Goma das Ergebnis der Gouverneurswahlen. Diese waren von den elf Provinzparlamenten des Landes am Vortag durchgeführt worden. In Goma, Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu, hat der Gouverneur Eugène Serufuli haushoch verloren: Er bekam gar keine Stimmen, nicht einmal die eigene.

Der neue Gouverneur heißt Julien Paluku. Mit ihm übernimmt die Mehrheitsethnie der Nande die Macht von ihren historischen Rivalen der ruandischstämmigen Volksgruppe, die Goma während und seit der jüngsten Kriege regiert hatte. Vor den Kriegen rivalisierten Nande und „Ruander“ um die ökonomische Macht in der Provinz; während des Krieges teilten sie Nord-Kivu unter sich auf.

Nun fällt Goma an die Nande. Kurios heute: Die beiden Feiernden in Goma gehören ebenfalls zur ruandischstämmigen Volksgruppe. Sie sind allerdings Tutsi, und Serufuli ist Hutu.

So tief sind die Gräben zwischen diesen beiden Gruppierungen wieder geworden. Serufuli, noch vor Jahren als mächtiger Drahtzieher ruandischer Interessen verrufen, hat diesen Ruf längst an den Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda verloren, der in den Bergregionen der Provinz eine starke Armee unterhält und seine Macht diesen Monat durch ein Friedensabkommen mit Kongos Präsident Joseph Kabila abgesichert hat. Die militärischen Vorstöße des Tutsi Nkunda haben dem Hutu Serufuli politisch das Wasser abgegraben. Nun ist Serufuli weg. Die Tutsi feiern zusammen mit den Nande, die früher eigentlich die Tutsi nach Ruanda verjagen wollten.

Solche Verwerfungen sind von mehr als nur lokalem Interesse. Die ethnischen Konflikte in Nord-Kivu in den 90er-Jahren waren Hauptauslöser der blutigen Kriege in ganz Kongo. Noch immer gibt es in Nord-Kivu über eine halbe Million Kriegsvertriebene, so viel wie im ganzen Rest des Kongo. Ohne eine Befriedung dieser Provinz kann auch Kongos Friedensprozess nicht vollendet werden. Im Rest des Kongo waren die Gouverneurswahlen ein Durchmarsch für Präsident Kabila. In acht der neun Provinzen gewann seine Partei oder deren Verbündete. In zwei Provinzen wurde die Wahl auf den 10. Februar verschoben.

Nord-Kivus neuer Gouverneur will darauf achten, dass seine Wahl die ethnischen Konflikte nicht erneut schürt. Er hat angekündigt, alle Ethnien der Provinz in seine Regierung aufzunehmen – es gibt in Nord-Kivu neun anerkannte Volksgruppen und zehn Provinzministerien.

Serufulis Abgang dürfte jedoch die Hutu, zweitgrößte Gruppe nach den Nande, schwächen. „Viele Hutu wurden unter Serufuli reich“, erklärt einer der feiernden Tutsi. „Er hat viele Hutu an Schlüsselstellen der Verwaltung gesetzt, vor allem dort, wo Geld einzutreiben war. Ich kenne einen, der hatte vorher nichts und jetzt hat er ein teures Auto gekauft. Nun bleibt denen nur die Wirtschaftskriminalität.“

Eine weitere Schlüsselfrage für den Frieden wird sein, wie gut sich die neue Nande-geführte Regierung mit Nkundas Tutsi-Rebellen versteht. Diese sehen sich seit dem Friedensabkommen mit Kabila in einer Position der Stärke. Die beiden gemischten Brigaden, die sie mit Einheiten der Regierungsarmee bilden, werden von Nkunda dominiert – sie werden in Nkundas Rebellenbasen zusammengestellt. Von den Regierungssoldaten, die dorthin kommen, sagt ein Beobachter: „Die sehen ziemlich bedröppelt aus.“ Und Nkunda wird nun Anspruch auf Gelder aus Kongos Militärhaushalt erheben. Dem Machtanspruch der Provinzregierung wird er sich kaum unterwerfen. DOMINIC JOHNSON