Volksvertreter gehen durch die Hintertür

Ecuadors linker Präsident Rafael Correa regiert ohne eigene Vertretung im Parlament. Weil sich die Abgeordneten gegen eine Volksbefragung über eine Verfassunggebende Versammlung stellen, haben jetzt Demonstranten den Kongress gestürmt

VON JÜRGEN VOGT

In Ecuador haben Anhänger des neuen Präsidenten Rafael Correa am Dienstag das Parlament gestürmt. Einigen Demonstranten gelang es, in das Gebäude der Zentralbank, den gegenwärtigen Sitz des Kongresses, einzudringen. In dem Gebäude hatten sich die Parlamentarier gerade mit der vom Präsidenten angeordneten Volksbefragung zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung befasst. Die Abgeordneten wurden durch die Hintertür evakuiert. Die Polizei trieb die Demonstranten mit Tränengas zurück. Die Regierung distanzierte sich umgehend von dem Vorfall. „Die Regierung unterstützt friedliche Protestaktionen, ist aber gegen Gewalt“, sagte Sprecherin Monica Chuji.

„Mit der gegenwärtigen Verfassung und dem aktuellen Wahlgesetz ist alles in den Händen der politischen Mafia, die seit zwei Jahrzehnten das Land regiert.“ Mit solchen Worten hatte Ecuadors linker Präsident Rafael Correa schon vor der Demonstration klargemacht, was seiner Meinung nach geändert werden muss. „Wie kann es sein, dass sich 60 Prozent dieser Pseudovolksvertreter im Kongress gegen den Wunsch von 80 Prozent der Bevölkerung nach einer Volksbefragung über eine neue Verfassung stellen?“

Correa hatte als Linker, aber auch als Kandidat gegen das traditionelle Establishment die Wahlen vom vergangenen Jahr gewonnen. Im Parlament hat er keine Vertretung – weil aus Protest gegen den verfilzten Parlamentarismus Ecuadors keine der Parteien und Bewegungen, die ihn im Wahlbündnis „Movimiento Alianza País“ unterstützten, bei den Parlamentswahlen angetreten war. Die Verfassunggebende Versammlung, die Correa per Volksbefragung einsetzen möchte, soll die Spielregeln so verändern, dass Correa um eine Abhängigkeit vom derzeit gewählten Parlament herumkommt. Die Idee der neuen Verfassung, um die alte Parteiendemokratie auszuhebeln, folgt außerdem Correas Vorbildern aus Venezuela und Bolivien, Hugo Chávez und Evo Morales.

Folgerichtig hatte Correa kurz nach seiner Amtseinführung Mitte Januar per Dekret eine Volksabstimmung über die Verfassunggebende Versammlung für den 18. März angesetzt. Damit umging Correa den Kongress und forderte das Oberste Wahlgericht auf, die Volksbefragung vorzubereiten und durchzuführen. Das Oberste Wahlgericht übergab die Entscheidung über die Volksbefragung dennoch dem Kongress, der die Verfassung nun selbst überarbeiten will und damit den Unmut des Präsidenten und der Demonstranten auf sich zieht.

Mit ihrem Protest am Dienstag verlangten die Demonstranten vom Parlament die Umsetzung der Volksbefragung. Die Proteste begannen am Morgen mit einer Demonstration zum Sitz des Kongresses von mehreren tausend Campesinos, Indigenas und sozialen Organisationen, die dem Präsidenten nahestehen. Rund 30 Organisationen haben sich in einer sogenannten Sozialen Front zusammengeschlossen, um die Volksbefragung und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung zu unterstützen. „Ab heute beginnen wir mit der Mobilisierung, bis der Kongress den Willen der Ecuadorianer auf einen Wechsel respektiert und den Weg für die Volksbefragung freimacht“, sagte César Rodríguez von Correas Wahlbündnis Alianza País.