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: Das wilde Leben

Eines kann man diesem Film zugute halten: Für Uschi Obermaier interessiert man sich danach eigentlich nicht mehr. Wer vorher noch voller Faszination war für das Phänomen Obermaier und über die „Pop-Ikone“ oder das „68-Pin-up-Girl“ hochgeistige Reflexionen anstellte, sieht sich nach dem „Wilden Leben“ von solchen Anwandlungen abrupt geheilt. Das ist eine Leistung.

Im Film heißt Obermaier übrigens Obermeier, und auch sonst wurde die Geschichte für die große Leinwand ein bisschen angepasst. So spießig, doof und provinziell stellt sich das Elternhaus der jungen Schönheit dar, dass es im Grunde keinerlei Erklärungen aus dem Off mehr braucht, um den Entschluss zum Fortgehen zu begründen. Man kriegt sie trotzdem im Sinn von: „Ich hielt es einfach nicht mehr aus.“ Dann trampen zwei Mädchen auf idyllischer Landstraße davon, und eine davon landet ziemlich stracks in der Kommune 1.

Dort haben sich gerade die ganzen Bewohner nackt an die Wand gestellt für jenes Foto, das „berühmt“ zu nennen eine bloße Banalität ist. Woran man das Prinzip Biopic, wie es die Macher dieses Films verstehen, begreift: Das Längstbekannte wird nachgestellt, auf dass der Zuschauer auch schön alles wiedererkennt. Alles andere wäre wohl zu kompliziert. So hangelt sich der Film von legendärem Foto zu genauso legendärem Foto: Uschi als Covergirl, Uschi bei der Demo. Natürlich sind die anderen Frauen in der Kommune neidisch, weil immer nur Uschi fotografiert wird. Und Rainer Langhans verteidigt sie immer, aber dass sie mit Mick und Kies rummacht, passt ihm dann doch auch nicht. Jawoll: Kies. So spricht Obermeier-Darstellerin Natalie Avelon ihn aus, und man ist gewillt zu glauben, dass der Film hierin seine größte Authentizität erreicht. Irgendwo läuft auch ein schwarzer Musiker durchs Bild, das soll dann wohl Jimi Hendrix sein.

Das fröhliche Liebhaber-Raten findet aber bald ein Ende, denn auf Rainer, Mick, Kies und Jimi folgt Dieter Bockhorn. Dieter wer? Auch die Zusatzinformation „Prinz von Sankt Pauli“, die der Film dem Zuschauer im nicht mehr ganz neuen Stilmittel des Schlagzeilenübereinanderblendens einschärft, hilft da nicht wirklich weiter. Uschi findet ihn toll. Aber wer schon Schwierigkeiten hat, den Bettgeschichten mit Mick Jagger und Keith Richards etwas abzugewinnen, fühlt sich gänzlich überfordert, Interesse für den Hamburger Kneipenbesitzer Dieter Bockhorn zu entwickeln. Man weiß nicht, was man scheußlicher finden soll: die narzisstische Zentriertheit der Hauptperson, die sich und ihr Bett als Ursache sämtlicher Ereignisse der Zeitgeschichte sieht, oder die abermalige Reduktion der 68er-Geschichte auf Fotoposen. BARBARA SCHWEIZERHOF

„Das wilde Leben“. Regie: Achim Bornhak. Mit Natalia Avelon u. a., 114 Min.