Viele Opfer bei Gewalt im Kongo

Bei den schwersten Unruhen seit den ersten freien Wahlen sterben mindestens 90 Menschen. Auslöser: Sieg des Präsidentenbündnisses bei den Gouverneurswahlen

KINSHASA taz ■ Bei den schwersten Unruhen in der Demokratischen Republik Kongo seit den Wahlen 2006 sind mindestens 90 Menschen von Armee und Polizei getötet worden. Bis zur Nacht zum Freitag wurden aus Kongos westlichster Provinz Bas-Congo mindestens 58 Tote gemeldet.

Die Unruhen folgten auf die Gouverneurswahlen vom Samstag vergangener Woche, bei denen in Bas-Congo sowie in der benachbarten Hauptstadtprovinz Kinshasa überraschend das Bündnis von Staatschef Joseph Kabila gewonnen hatte. In den für die Gouverneurswahl zuständigen Provinzparlamenten der beiden Bundesstaaten hält das Oppositionsbündnis von Jean-Pierre Bemba die Mehrheit.

Diplomatische Quellen berichteten in der Nacht zu gestern, Elitesoldaten hätten in der Stadt Moanda in Bas-Congo „in die Menge geschossen“, nachdem dort wie in anderen Städten der Provinz ein Generalstreikaufruf radikaler Oppositioneller weitgehend befolgt worden war. Zu dem Ausstand hatte die Organisation „Bunda dia Kongo“ (BDK) aufgerufen, ein militanter und mächtiger traditioneller Kulturbund des Bakongo-Volkes, das im Westen des Kongo eine der größten Ethnien ist. Grund war eine Polizeirazzia auf das Haus des BDK-Führers Ne Nuanda Nsemi in der Provinzhauptstadt Matadi am Mittwochabend, bei der drei Menschen ums Leben kamen.

Die Provinz Bas-Congo bildet Kongos Verbindung zum Atlantik, und Matadi ist der einzige große Außenhandelshafen des Landes und daher strategisch von höchster Bedeutung. Infolge der Polizeiaktion am Mittwochabend gab es in der Stadt mindestens 21 Tote. Die Proteste dagegen weiteten sich am Donnerstag auf die Städte Boma und Moanda aus, wo es jeweils mindestens 26 beziehungsweise 20 Tote gab. „Unsere friedlichen Proteste wurden mit Gewalt aufgelöst“, sagte ein BDK-Sprecher. Die BDK unterstützt das Bemba-Bündnis.

Bas-Congo hatte bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2006 massiv für Oppositionschef Bemba und dessen Verbündete gestimmt, aber bei den indirekten Wahlen der Senatorenposten und des Provinzgouverneurs Anfang 2007 hatte das Lager von Präsident Kabila gewonnen, ebenso in Kinshasa. Oppositionelle wittern nun Betrug und Korruption.

Die Gouverneurswahl in Bas-Congo fiel mit 15 gegen 14 Stimmen im Provinzparlament denkbar knapp aus. Das Bemba-Lager verlangt nun eine Neuwahl mit dem kuriosen Argument, ein Sieg mit 15 zu 14 sei nicht die erforderliche absolute Mehrheit. Nach dem Gesetz bedeute „absolute Mehrheit“ die Hälfte der Stimmen plus 1, sagen Bembas Juristen. Bei 29 Abgeordneten sei die Hälfte der Stimmen 14,5, die Hälfte plus 1 also 15,5, und keiner der beiden Kandidaten habe 15,5 Stimmen bekommen. Sie meinen das durchaus ernst und haben Klage vor Kongos Oberstem Gericht eingereicht.

Die Gewalt in Bas-Congo verstärkt nun Sorgen um wachsende Instabilität. Kongos führende Tageszeitung Le Potentiel warnte gestern vor einer „Serie von Buschfeuern“. Streikbewegungen gab es Anfang dieser Woche in den zentralkongolesischen Kasai-Povinzen, Hochburg der Opposition. Bei einem Zwischenfall an der Universität von Kinshasa wurde ein Student erschossen.

Im unruhigen Ostkongo wiederum macht das Beispiel des Rebellenführers Laurent Nkunda Schule. Er hat sich in der Provinz Nordkivu eine Position der Stärke erkämpft und diese durch ein Separatabkommen mit Kabila abgesichert. Im nordostkongolesischen Distrikt Ituri toben seit zwei Tagen Kämpfe zwischen der Regierungsarmee und dem Milizenführer Peter Karim, der die Eingliederung in die Armee ebenso ablehnt wie Nkunda. Es gab mehrere Tote in der Stadt Fataki. Und in Nordkivus Nachbarprovinz Südkivu sind Rebellen der ruandischstämmigen Banyamulenge-Volksgruppe in den Aufstand getreten.

So breitet sich die Gewalt weiter aus, während die erhoffte demokratisch gewählte Regierung des Kongo noch nicht existiert. Der Ende Dezember ernannte Premierminister Antoine Gizenga hat bislang kein Kabinett vorgestellt und verzettelt sich im Postenstreit um die Besetzung der Ministerien.

DOMINIC JOHNSON