Im Gerangel der Granden

Anne Will will. Frank Plasberg auch. Ebenso Sandra Maischberger. Heute nun wollen die ARD-Hierarchen entscheiden, wem sie Deutschlands wichtigsten Polit-Talk-Sendeplatz anvertrauen

von STEFFEN GRIMBERG

Da erklärt WDR-Nochintendant Fritz Pleitgen vollmundig in Sachen ARD-Führungsgerangel wegen der „Christiansen“-Nachfolge: „Ich halte Frank Plasberg für eine sehr starke Besetzung“, poltert mächtig für den hauseigenen „Hart, aber fair“-Moderator, der sich mit seinem etwas anderer Polit-Talk als „außergewöhnlich talentierter politischer Journalist“ profiliert habe. Ach so, und noch etwas: Er, Pleitgen, befinde sich aber keinesfalls auf Kollisionskurs mit dem NDR und seinem Intendanten Jobst Plog: „Da rasen keine zwei Züge aufeinander zu.“

Heute nun sitzen die ARD-IntendantInnen zur Entscheidungsfindung in den heiligen Hallen des Hessenfunks zu Frankfurt beisammen, acht Herren plus Dame in trauter Zwietracht mit ARD-Programmdirektor Günter Struve. Fritz Pleitgen hat seinen letzten Auftritt in großer ARD-Runde, ab März heißt die WDR-Intendantin dann Monika Piel. Man spielt eine Art Poker mit Schwarzem Peter, der jetzt aber Frank heißt. Es geht um den begehrtesten ARD-Polittermin gleich nach dem „Tatort“ und irgendwie auch um das politjournalistische Selbstverständnis der ARD. Günther Jauch, so viel ist immerhin klar, kommt nicht. Doch wofür stehen die anderen? Natürlich soll es beim Intendantenpoker offiziell um Sendekonzepte gehen. Aber das glaubt nur, wer ohnehin „Person gleich Konzept“ ließt. Von daher läuft alles eher auf eine weitere Runde ARD-Bauernskat hinaus: Als NDR-Favoritin geht „Tagesthemen“-Frontfrau Anne Will ins Rennen, das kleine Radio Bremen, der MDR und der RBB werden sich dem wohl anschließen.

Für Plasberg sind dagegen zwei mächtige Intendanten, dummerweise amtieren beide auf Abruf: Fritz Pleitgen und Peter Voß vom Südwestrundfunk. Die dritte Kandidatin heißt Sandra Maischberger, hat ihre Karriere als TV-Politjournalistin eher beim privaten Nachrichtensender n-tv als im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gemacht und gehört heute anstaltsmäßig wie Plasberg zum WDR. Laut Spiegel ist sie der Zuschauerliebling, vor allem im Osten der Republik, wo die Menschen ohnehin Nachrichten bei RTL gucken. Doch was sagt das schon?

Denn ob Anne Will auch eine ganze Stunde lang aufklärerisch die Augenbrauen lupfen kann, ist bislang genauso wenig ausprobiert wie Sandra Maischberger in großer Politrunde: Bei n-tv saß da schließlich nur eine Nase im gekonnten Direktverhör. Und Plasbergs „Hart, aber fair“-Konzept einfach von 90 auf 60 Minuten eingedampft ins Erste zu übertragen, spräche für schlichten Selbstmord: Man braucht bloß an Friedrich Küppersbuschs „Zack“-Karriere in der ARD zu denken. Da seien schon ganz andere Sterne des Dritten Programms im Ersten verglüht, sagt auch „Bericht aus Bonn“-Legende Friedrich Nowottny, übrigens ein Plasberg-Befürworter.

Aber wahrscheinlich kommt alles sowieso ganz anders. Die IntendantInnen entscheiden schließlich innerhalb eines Tages quasi nach Akten- und Vorlage ihrer Programmdirektoren und Chefredakteure. Nach der Jauch-Absage waren gerade mal knapp drei Wochen Zeit für die inhaltliche Arbeit. Ernst zu nehmende Programmentwicklung sieht anders aus.

Und dann sind da noch die diversen Kollateralschäden: Denn ein Ausstieg von Anne Will bei den „Tagesthemen“ würde eine Lücke reißen, die umso mehr auffiele, als ihr neuer Kompagnon Tom Buhrow noch nicht so ganz das Format „lebt“. Sandra Maischberger hat dagegen eben erst in ihre Rolle als Gesellschaftsdame vom Schlage Biolek gefunden. Doch weil man bei der ARD auch die simpelsten Lösungen nicht ausschließen kann, wird schon mal munter über einen Wechsel von Maischberger zu den „Tagesthemen“ schwadroniert. Denn dann wäre Anne Will ja frei, der NDR glücklich, und das alte Schlachtross Fritz Pleitgen könnte einen anderen ARD-Sendeplatz für die gute alte Langfassung von „Hart, aber fair“ aushandeln. Ohne den immensen Quotendruck des ARD-Sonntags. Und mit einer echten Chance für Frank Plasberg.