UN ringt um mehr Umweltkompetenz

NAIROBI taz ■ Von der Präsentation des IPCC-Klimareports in Paris schwärmt der Chef des UN-Umweltprogramms, Achim Steiner, auch noch, als er am Samstag vor Umweltschützern, Gewerkschaftern und Industrievertretern über die Neuausrichtung seiner Behörde spricht. „Einige von uns haben 20 Jahre darauf gewartet, dass Klimaschutz als Herausforderung für die ganze Menschheit akzeptiert wird.“ Mit ordentlicher Außenwirkung so wie in Paris, so stellt sich Steiner das neue Unep vor, für das er bis zum Freitag bei gut 100 Umweltministern aus aller Welt werben will. Anstatt nur Papier zu produzieren, soll Unep vor Ort für die Umwelt aktiv werden. Dabei setzt Steiner auf die enge Kooperation mit dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), das Büros in mehr als 140 Ländern hat. Nicht umsonst reist UNDP-Chef Kemal Dervis extra zum Verwaltungsrat, dem höchsten Unep-Gremium, nach Nairobi.

Die UNO steht vor der größten Reform ihrer über 60-jährigen Geschichte, und Steiner lässt keinen Zweifel daran, wo die Umwelt nach dieser Reform stehen soll: ganz weit oben. Offiziell positioniert sich Steiner nicht zu Chiracs Vorstoß für eine UN-Umweltorganisation, doch mehr Geld und mehr Kompetenz in Sachen Klimaschutz fordert er schon lange. Am Wochenende warnte er vor jenen, die behaupten, Klima sei jetzt so wichtig, dass es kein reines Umweltthema mehr sei. „Damit meinen die doch: Lasst jetzt mal die Großen ran, etwa die internationalen Finanzinstitutionen.“ Um sich die Butter nicht vom Brot nehmen zu lassen, plant Steiner hinter den Kulissen einen Klimagipfel, der das Thema im zweiten Halbjahr auf die Ebene der Staatschefs heben soll.

Auch inhaltlich fordert Steiner eine Neuausrichtung. „Wir müssen die Frage beantworten, was Umweltschutz heute, in einer wirtschaftlich und kulturell globalisierten Welt, Neues leisten kann.“ Die Verklappung von europäischem Giftmüll in der Elfenbeinküste vor wenigen Monaten sieht Steiner als Beleg dafür, dass arme Länder und generell die Umwelt die Verlierer der wirtschaftlichen Globalisierung sind. Über mögliche Lösungen diskutieren die Minister in den nächsten Tagen auch mit WTO-Chef Pascal Lamy. Dass ausgerechnet Lamy das „neue Verhältnis zwischen Welthandel und Umwelt“ mitdefinieren soll, betrachten manche Umweltschützer als regelrechten Verrat ihrer Ideale.

„Wir befürchten, dass Unep seine Stimme gegen die wirtschaftliche Ausbeutung der Natur abgibt und sich stattdessen dem Diktat internationaler Konzerne unterordnet“, kritisiert etwa Simone Lovera von der Internationalen Koalition für Wälder. Indigene Gruppen bemängeln, dass nur Vertreter arrivierter Organisationen zur Diskussion mit den Ministern gebeten werden. Eine grundsätzliche Systemkritik sei somit von vorneherein ausgeschlossen.

MARC ENGELHARDT