Großstädte kämpfen für ihre Junkies

Sieben Kommunen wehren sich gegen das Ende eines Modellprojekts zur kontrollierten Heroinvergabe. Sie fordern eine Gesetzesänderung und appellieren vor allem an die CDU-Bundestagsfraktion, ihre harte Haltung aufzugeben

FRANKFURT/MAIN taz ■ Sieben deutsche Großstädte laufen parteiübergreifend Sturm gegen die Drogenpolitik der Berliner großen Koalition. Sie wehren sich vehement gegen den Abbruch eines Modellprojekts. Dabei wurde in Ambulanzen bundesweit an rund 1.000 Abhängige kontrolliert Heroin, genauer: synthetisch hergestelltes Diamorphin abgegeben.

Gemeinsam stellten die Kommunen gestern Vormittag im Magistratssaal der Stadt Frankfurt am Main eine Resolution vor, in der sie Kanzlerin Angela Merkel und die Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen aufforderten, sich für eine gesetzliche Regelung, also die Zulassung der Behandlung, einzusetzen. Sozialdezernate und Drogenbeauftragte der Städte Bonn, Frankfurt, Hannover, Köln, Karlsruhe und München haben den Appell unterzeichnet, Hamburg wird als Vorreiter einen Gesetzesantrag im Bundesrat anstreben.

Das Projekt, dass 2002 begann, arbeitet derzeit mit einer Ausnahmegenehmigung, die am 30. Juni ausläuft. Im Dezember 2006 hatte die CDU-Bundestagsfraktion beschlossen, dass sie nicht bereit sei, die legale Heroinvergabe weiterhin zu tolerieren oder gar gesetzlich abzusichern. Die SPD fügte sich.

Die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing und der Gesundheitsdezernent des Deutschen Städtetages, Manfred Wienand, unterstützen die Metropolen-Revolte. Bätzing stellte fest, dass die Begleitstudie zum Modellprojekt eindeutig zu positiven Ergebnissen gekommen sei. Die Behandlung sei für die ohnehin sehr kleine Gruppe Schwerstabhängiger „wirklich wirksam“ und helfe beim Weg aus der Sucht oder wenigstens in einen geregelten Alltag. Die Heroinvergabe sei trotz intensiverer Betreuung nur geringfügig teurer als die des Substituts Methadon, senke aber den Beikonsum, die Beschaffungskriminalität, verbessere den Gesundheitszustand, spare gesamtgesellschaftliche Kosten und lindere Elend. Einen „Paradigmenwechsel“ bei der Drogenpolitik des Bundes sehe sie trotz der Ablehnung einer Gesetzesänderung aber nicht.

Der Karlsruher Sozialbürgermeister Harald Denecken verzichtete auf „höfliche, korrekte, diplomatische“ Floskeln, „weil wir als Gemeinderäte zornig sind“. Die Städte hätten viel Geld aus eigener Tasche für die gute Sache investiert, weil sie „an das Versprechen“ der Politik geglaubt hätten: „Wir hatten Träume und Visionen.“ Und die seien tatsächlich wahr geworden, das Modell greife: „Die Menschen leben wieder menschenwürdig.“ Junkies, „die sich den Dreck in die Venen spritzten“, seien weitgehend verschwunden. Wenn die Heroinvergabe jetzt abgebrochen werde, „dann freut sich der Dealer“. Er habe den Verdacht, dass die Kranken und die Kommunen „auf dem Altar des Koalitionsfriedens geopfert werden“.

Der Drogenbeauftragte der Stadt Hannover, Alfred Lessing, forderte die widerstrebenden Abgeordneten auf, die Einladung zum Besuch der Ambulanzen wahrzunehmen. Die Frankfurter Stadträtin Manuela Rottmann verwies auf die „schier unlösbaren Schwierigkeiten“ der Städte, die rund 300 noch in Behandlung befindlichen Patienten nach dem 30. Juni wieder in andere Therapien einzugliedern. Eine Klage beim Bundesverfassungsgericht wolle man vorerst noch vermeiden: „Wir haben gute Argumente. Aber der Weg über die Gerichte wäre ein Umweg.“ Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sicherte den Kommunen gestern seine Unterstützung zu. HEIDE PLATEN