Der Ring der Rentner

Auch im sechsten Teil seiner Boxchamp-Saga schlägt sich der mittlerweile 60-jährige Sylvester Stallone noch ganz passabel. Ansonsten ist „Rocky Balboa“ eine gefühlvolle Studie über das Altern

von BARBARA SCHWEIZERHOF

Das Alter ist die Zukunft. Solche Sprüche werden uns die nächsten Jahrzehnte wohl begleiten. Gut, dass ein einstiges Idol der Jugendkultur mit Sequel Nummer 6 seines Erfolgstitels „Rocky“ das Thema richtig offensiv angeht. Nach 16 Jahren schlägt Regisseur Sylvester Stallone sofort einen angemessenen düsteren Ton an: Sein Rocky ist nun ein Mann in den Fünfzigern, (den der 60-jährige Stallone mit nacktem Oberkörper überzeugend verkörpert), seine Frau ist an Krebs gestorben, sein Sohn trägt Anzug zur Arbeit und hat keine Zeit für Schwätzchen. Die Freuden, die das Leben für ältere Menschen bereithält, sind im ewig nasskalten Philadelphia begrenzt. In seinem nicht ganz schäbigen und nicht eben schicken Restaurant unterhält Rocky die Gäste mit Geschichten wie: „und dann kam ich aus der Ecke“. Dank seiner stolzen phlegmatischen Ausdrucksweise macht er dabei keine schlechte Figur.

Ganz anders dagegen sein Schwager Pauli, den seit Anbeginn der Rocky-Saga der Schauspieler Burt Young verkörpert. Er hat in diesem Film seine große Stunde und stiehlt, was das Darstellen des schmerzvollen und bitteren Alterns angeht, Stallone die Schau. Burt Youngs Pauli war schon immer ein Narr, aber nun ist er ein alter Narr. Niemand setzt sich mehr mit ihm und seinen Schrullen auseinander. Er wird nur geduldet, und das nicht überall. Nach der Hälfte des Films – Rocky befindet sich wieder im Training – wird Pauli von seinem Job im Schlachthaus entlassen. Es ist eine Szene, die mehr an die Nieren geht als alle Boxkampfsequenzen.

Der Film kommt nur langsam in Fahrt. Alles ist auf Erinnerungs- und Wiedersehensmodus gestellt. Rocky geht seinem Alltag nach. Dazu gehört auch die beiläufige Rettung von jungen Frauen aus bedrängten Situationen. Ein Mann muss tun, was er tun muss: Rocky begleitet sie sicher nach Hause, schraubt eine neue Glühbirne über dem Eingang ein und nimmt sich ihres halbwüchsigen Sohns an, damit der nicht Gangmitglied wird. Im Übrigen aber bleibt er seiner verstorbenen Frau treu. Der Zuschauer versteht es nicht ganz, die junge Frau auch nicht. Auf recht unverhohlene Art und Weise zeigt der Film aber, wo die unerfüllte sexuelle Energie hingeht: Rocky will wieder boxen! Und es gibt sogar Menschen, die ihm dabei zusehen wollen. Beziehungsweise: Es gibt windige Manager, die sich davon eine Image-Aufbesserung für ihren gefallenen Champion, den jungen schwarzen Mason „The Line“ Dixon, versprechen.

Aber wen interessieren schon Managerintrigen. Endlich kommt sie, die Trainingssequenz! Die Trainingssequenz aller Trainingssequenzen. Oft kopiert, nie erreicht. Rocky rennt die Stufen des Philadelphia Art Museums hinauf, ein kleiner räudiger Hund läuft ihm hinterher. Wer dabei keine Rührung empfindet, hat ein Herz aus Stein.

Man könnte so viel wichtige Dinge schreiben über „Rocky Balboa“: Über den bedenklichen Umgang mit Hautfarben und wie jedes Bemühen um Political Correctness als Rassismus auf Stallone zurückschlägt. Oder darüber, ob das nun ein Pro-Bush-Film ist. Aber es wäre alles auch ein wenig überinterpretiert. Wer die anderen Rocky-Filme mochte, wird von diesem enttäuscht sein. Stallone selbst mag seinen Rocky, und vielleicht deshalb mutet er dem Zuschauer nicht zu, seinen 50-jährigen Exchampion noch einmal gewinnen zu lassen. Er zeigt lediglich, dass er sich noch behaupten kann. Das ist in dem Alter schon Triumph genug.

„Rocky Balboa“. Regie: Sylvester Stallone. Mit Sylvester Stallone, Burt Young u. a., USA 2006, 102 Min.