Drei Heuschrecken bei Borussia Dortmund

Der Verein ist nur ein Fall von vielen: Immer mehr mittelständische deutsche Unternehmen werden zum Objekt internationaler Spekulanten

In Deutschland arbeiten inzwischen rund 800.000 Angestellte bei Unternehmen, die spekulativen Investmentfondsgehören. Tendenz steigend

BERLIN taz ■ Fußball ist längst mehr als ein Spiel: Die Bundesliga ist zum beliebten Spekulationsobjekt geworden. Die Aktien von Borussia Dortmund zum Beispiel gehören inzwischen zu rund 35 Prozent drei verschiedenen Hedgefonds. Weitere 16,25 Prozent besitzt ein Private-Equity-Fonds (siehe Lexikon). Zerstören etwa die „Heuschrecken“ des Deutschen Lieblingssport? BVB-Finanzgeschäftsführer Thomas Treß bleibt gelassen: „Die Hedgefonds verhalten sich wie normale Aktionäre.“ Es würde kein Einfluss auf die Vereinspolitik genommen. Und überhaupt hätten die Fonds versichert, dass sie sich „langfristig engagieren“ wollen. Geduld ist allerdings auch erforderlich bei den Borussen: Noch immer macht der Verein Verlust und die Aktie dümpelt im Keller. Dennoch teilen BVB und die Fonds eine „Entwicklungsfantasie“: Sie hoffen auf „steigende TV-Gelder“.

Borussia Dortmund ist kein Einzelfall. 2006 war ein Rekordjahr bei der Firmenübernahme: Hedgefonds und Private-Equity-Fonds haben im letzten Jahr insgesamt 51 Milliarden Euro in den Kauf deutscher Unternehmen investiert, wie eine Studie des Beratungsunternehmens Ernst & Young ermittelt hat. Das bedeutete ein Plus von 61 Prozent im Vergleich zu 2005. Deutsche Fonds waren allerdings kaum darunter; fast das ganze Geld stammte aus dem Ausland: 48,8 der 51 Milliarden.

Die größte Transaktion im Jahr 2006 war der Verkauf von ProSieben-Sat1 für 5,9 Milliarden Euro an zwei Private-Equity-Fonds aus dem Ausland. Allerdings hatte die Sendergruppe auch schon vorher einem spekulativen US-Investor gehört: Haim Saban. Das passt in den Trend, denn ausländische Finanzinvestoren kaufen nicht nur deutsche Unternehmen – sie stoßen sie auch zunehmend wieder ab. Insgesamt trennten sich die Private-Equity-Fonds 2006 von Beteiligungen in Höhe von 15,9 Milliarden Euro. Im Jahr 2005 kassierten sie erst 7,6 Milliarden durch Verkäufe ihrer deutschen Unternehmen.

Inzwischen warten alle Beobachter gespannt darauf, wann wohl das erste DAX-Unternehmen von ausländischen Beteiligungsfonds übernommen wird. Im letzten September etwa gab es schon Versuche, den Reifenhersteller Conti aufzukaufen. Diese Attacke scheiterte allerdings – weil die Übernahmegerüchte den Kurs derart nach oben getrieben hatten, dass die Übernahme dann zu teuer wurde.

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Auch wenn noch kein DAX-Unternehmen von einem spekulativen Fonds komplett übernommen wurde, bedeutet dies noch lange nicht, dass die Aktien der deutschen Großkonzerne nur in deutschen Händen wären. Etwa 40 Prozent der DAX-Aktien sind längst von ausländischen Investoren aufgekauft worden. Allerdings handelt es sich noch um Streubesitz.

Anders als der DAX ist der MDAX längst im Übernahmefieber. Dort werden die 50 größten Nebenwerte gehandelt – und der Index eilt von Rekord zu Rekord. Gestern sprang er über die Symbolmarke von 10.000 Punkten. Ein spektakulärer MDAX-Wert ist etwa Techem: Erst wollte die australische Bank Macquarie den Energiedienstleister erwerben. Das haben dann andere Hedgefonds wiederum verhindert, um die Kurse noch weiter nach oben zu treiben. Gestern ist dann Techem in die Offensive gegangen – und kaufte selbst einen dänischen Wärmemessdienst auf. Rund 2.500 Mitarbeiter sind bei Techem beschäftigt.

Eine weitere Schlacht tobt gerade rund um Europas größten Fotoentwickler, die Oldenburger Firma CeWe Color, wo die beteiligten Hedgefonds eine Sonderausschüttung von 120 Millionen Euro fordern – bei nur 113 Millionen Euro Eigenkapital. Europaweit wären wohl die Arbeitsplätze von rund 3.000 Menschen gefährdet.

In Deutschland arbeiten inzwischen rund 800.000 Angestellte bei Unternehmen, die spekulativen Investmentfonds gehören. Tendenz steigend. Allerdings sind in der Bundesrepublik insgesamt rund 39 Millionen Menschen erwerbstätig. Noch wäre es also stark übertrieben, von einem „Ausverkauf von Deutschland“ an ausländische Finanzinvestoren zu sprechen.

ULRIKE HERRMANN