„Ich finde mich nicht zahm“

Im Groll wird Till Heyer-Stuffer den Landesvorstand der Grünen zwar nicht verlassen. Aber von einigen Mitgliedern hätte sich der 47-Jährige einen kollegialeren Umgang gewünscht. Der Landesverband müsse besser kooperieren

taz: Herr Heyer-Stuffer, Sie waren fast sechs Jahre Landesvorsitzender. Trotzdem haben die Grünen Sie vor einem Jahr auf keinen aussichtsreichen Listenplatz für die Abgeordnetenhauswahl gesetzt. Nun treten Sie bei den Landesvorstandswahlen nicht mehr an. Gehen Sie im Zorn?

Till Heyer-Stuffer: Nein, denn es waren ja sehr spannende sechs Jahre. Nach den ersten 100 Tagen meiner Amtszeit platzte die große Koalition, und es kam zu einem rot-grünen Übergangssenat. Meine Zeit endet mit einem wirklich hervorragendem Wahlergebnis für die Grünen. Ich gehe nicht im Zorn, sondern zu einem Zeitpunkt, wo ich guten Gewissens die Verantwortung in die Hände anderer legen kann.

Worin genau sehen Sie Ihren Verdienst?

Ich habe es geschafft, die Berliner Grünen aus einer gewissen Diskussionsmüdigkeit herauszuholen. Mittlerweile wird in unseren Gremien wieder engagiert debattiert. Wir haben vor zwei Jahren mit den „Offensiven für 2006“ einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, der durch die vorgezogenen Bundestagswahl zwar ein wenig zurücktreten musste. Nach lebhaften Debatten fanden wir dennoch zu einem Programm, mit dem wir geschlossen nach außen treten konnten. Nicht zuletzt dieser Prozess hat zu einer programmatischen Stabilisierung geführt, die sich bei der Abgeordnetenhauswahl ausgezahlt hat.

Meinen Sie mit lebendiger Gesprächskultur die zunehmende Fraktionierung in „Linke“ und „Realos“, die sich seit einiger Zeit wieder abzeichnet?

Bei den Grünen gab es schon immer Kreise, die inhaltlich pointiert aufgetreten sind. Ich sehe inhaltliche Kontroversen, aber keinen Graben in der Partei.

Böse Zungen haben Ihnen den Spitznamen „Heyer-Schluffer“ verpasst. Sind Sie zu zahm?

Diese Bezeichnung habe ich zum ersten Mal aus Ihrer Feder gelesen. Ich finde mich nicht zahm.

Viele in der Parteibasis finden jedoch, dass Sie bei Meinungsverschiedenheiten mit der Fraktion nicht genug Kontra gegeben haben. Hatten Sie nicht manchmal das Gefühl, dass Ihnen mehr Unterstützung von der Basis ganz gut getan hätte?

Die gab es doch. Mich stört viel mehr, dass parteiinterne Kontroversen manchmal nicht direkt von Angesicht zu Angesicht geführt wurden, sondern über Medien. Das schadet nur der gesamten Partei. In meiner Amtszeit habe ich mich immer daran gehalten, bedauere es aber, dass das leider nicht jeder so gesehen hat.

Was muss sich Ihrer Meinung nach in der Partei ändern?

Sicherlich könnte die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ebenen des Landesverbands verbessert werden. Die künftige Landesspitze könnte zudem der Öffentlichkeitsarbeit ein höheres Gewicht geben. Wir sind der einzige Landesverband, der keinen eigenen Pressesprecher unterhält. Das muss anders werden.

INTERVIEW: FELIX LEE