Grüne Chefsessel zu vergeben

Die Grünen wollen sich mehr Gehör verschaffen. Der zahme Landesvorstand soll zur lauten Stimme der Parteibasis werden. Die streitbare Geschäftsführerin Kirsten Böttner bliebe dabei auf der Strecke

VON MATTHIAS LOHRE

Es sind keine einfachen Wochen für Kirsten Böttner. Da hat sie acht Jahre lang alles organisiert, was es bei den Berliner Grünen zu organisieren gibt: Wahlplakate und Bühnendekorationen, Websites und Visitenkarten. Und nun sieht es danach aus, als wolle ihr eigener Landesverband seine rührige Geschäftsführerin um jeden Preis loswerden. Dahinter steckt mehr als eine parteiinterne Personalie. Es geht auch um die Frage, wer künftig die Macht haben soll bei den Grünen.

Der Anlass scheint banal. Auf ihrem Parteitag am 24. Februar stimmen die Grünen-Delegierten über einen Antrag auf Satzungsänderung ab. Der sieht die Abschaffung des Postens eines politischen Geschäftsführers vor – Böttners Job.

Bislang wählt der Landesverband seinen Cheforganisator per Delegiertenvotum. Das stärkt die Autorität des Geschäftsführers, der obendrein Teil des Landesvorstands ist. Die Satzungsänderung sieht die Reduzierung des Geschäftsführers zum bloßen Angestellten des Landesverbands vor. Ohne Basisvotum und abhängig von der Gunst des Landesvorstands.

Böttner hält die geplante Änderung für falsch: „Wenn die Satzungsänderung durchgeht, schwächt das die Partei. Unabhängig von mir als Person.“ Als bloße Angestellte will sie nicht weitermachen. Auch der scheidende Landesvorsitzende Till Heyer-Stuffer wendet sich gegen die Abschaffung: „Die Geschäftsführung sollte die politischen Beschlüsse des Landesvorstands mittragen können.“ Das gehe nur mit einem eigenen politischen Mandat. „Warum“, fragt Böttner, „sollte die Partei ihrer eigenen Schwächung zustimmen?“ Die Antwort lautet: Weil sich derzeit persönliche Animositäten mit der Hoffnung mancher Grüner auf mehr Macht verbinden. Mit ihrem resoluten Führungsstil hat sich Böttner in Partei und Fraktion einige Gegner gemacht. Der langjährigen Fraktionschefin Sibyll Klotz ist die gebürtige Bremerin in gegenseitiger Abneigung verbunden. Die Kommunikation zwischen Fraktion und Landespartei gilt seit langem als gestört. Böttner sagt dazu lakonisch: „In acht Jahren habe ich sicher manchem auf die Füße getreten. Wer hat das nicht?“

Auch viele Bezirksgrüne sind mit dem gesamten Landesvorstand unzufrieden. Die beiden Vorsitzenden Almuth Tharan und Till Heyer-Stuffer erscheinen ihnen im Vergleich zur öffentlich präsenten Abgeordnetenhausfraktion als viel zu still. Das soll sich ändern. Neben Tharan treten zwei Kandidatinnen an, die der Partei eine kräftigere Stimme geben wollen: Barbara Oesterheld und Irmgard Franke-Dressler. Beide haben beste Aussichten, den Job zu bekommen.

Oesterheld war bis zum vergangenen Herbst elf Jahre lang im Abgeordnetenhaus. Sie holte in Kreuzberg für die Grünen Direktmandate, als das noch Einzelfälle waren. Die 55-jährige Wohnungsbauexpertin gilt als Liebling der Parteilinken. Franke-Dressler hingegen steht für die Hinwendung der Partei zu neuen Wählerschichten und Koalitionen. In Steglitz-Zehlendorf fädelte sie als dortige Fraktionschefin vor drei Monaten das erste schwarz-grüne Bündnis in einem Berliner Bezirk ein. Da können die zwei Chefinnen in spe Konkurrentinnen wie Böttner nicht gebrauchen.

Die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Satzungsänderung wird derzeit in den mitgliederstarken Kreisverbänden zusammengesucht. In Tempelhof-Schöneberg tut das Böttners alte Lieblingsfeindin: Sibyll Klotz.