Familienrichterin kritisiert Jugendamt

Untersuchungsausschuss „Kevin“: Richterin vermisst Entscheidungsstärke bei Amts-MitarbeiterInnen

Mangelnde Entscheidungsfähigkeit attestierte gestern die Bremer Familienrichterin Sabine Heinke einem Großteil der MitarbeiterInnen im Bremer Jugendamt. Viele wüssten gar nicht, welche Kompetenzen sie hätten oder vertrauten der eigenen Einschätzung einer Familiensituation nicht, sagte Heinke, die seit 1978 als Juristin im Familienrecht tätig ist und vor dem Untersuchungsausschuss „Kevin“ aussagte. Häufig würden die SozialarbeiterInnen sie und ihre KollegInnen fragen, was in einem Fall geschehen solle, anstatt selbst aktiv zu werden. „Dabei sind das doch die Fachleute“, kritisierte Heinke. Als Juristin sei sie auf die Einschätzungen der Jugendamtsleute angewiesen, die sie in Berichten oder während einer Verhandlung einfordere. „Doch nur wenige beziehen tatsächlich eine fachliche Position“, sagte Heinke.

Häufig würden die FallmanagerInnen aber auch den FamilienrichterInnen Entscheidungen überlassen, weil sie keine Hoffnung hätten, dass eine Maßnahme von den Vorgesetzten genehmigt würde. „Wenn ich das anordne, können sie nicht anders.“ Ein Dauerkonflikt sei etwa der begleitete Umgang, wenn Kinder ein getrennt von ihnen lebendes Elternteil nicht alleine sehen sollen. Statt direkt beim Amt darum bitten zu können, dass eine Sozialarbeiterin bei einem Treffen dabei ist, müsse erst ein Prozess geführt werden. Außerdem fehle immer noch eine verlässliche Trennungs- und Scheidungsberatung.

Nur mit Geldnot ließe sich die Untätigkeit vieler Jugendamtsmitarbeiter nicht erklären, glaubt Heinke. „Die Probleme gab es schon immer, auch vor den Sparrunden“, außerdem kenne sie eine Reihe von MitarbeiterInnen, die immer noch mit Engagement die Interessen der Kinder vertreten würden. Besonders gute Erfahrungen habe sie mit dem Sozialzentrum Hemelingen gemacht. Als Positiv-Beispiele nannte sie außerdem die Jugendämter in Bremerhaven und Osterholz-Scharmbeck, in denen ihres Wissens nach klarere Hierarchien und Arbeitsanweisungen bestünden.

Der Leiter des Sozialzentrums Vahr, Erich Ernst-Pawlik, gab gestern den Schwarzen Peter, der derzeit beim Jugendamt liegt, an die Abgeordneten zurück. Die Sparrunden hätten dazu geführt, dass Kinder und Jugendliche nicht das bekommen würden, was sie bräuchten, sagte er. „Dafür sind Sie verantwortlich.“ eib