Klimawandel erreicht Chinas Führung

Die Kommunistische Partei will bis Ende April erstmals ein Konzept gegen die globale Erwärmung vorlegen. Darin will sie die Schäden nicht länger verschweigen und ein Regierungsprogramm vorlegen. Umweltschützer bleiben aber noch skeptisch

AUS PEKING GEORG BLUME

China plant eine klimapolitische Wende. Bis spätestens Ende April will die KP-Regierung erstmals einen „Nationalen Plan zum Klimaschutz“ vorlegen. Das erfuhr die taz gestern in Peking aus Beraterkreisen des chinesischen Umweltministeriums. Der hundertseitige Plan werde bedrohliche Szenarien für den Klimawandel in China darlegen und drängende politische Antworten geben. Er soll sich am jüngsten Klimabericht der UNO orientieren.

Nach langwierigen Verhandlungen hätten sich die zuständigen Pekinger Ministerien auf ein gemeinsames Regierungsprogramm zur Bekämpfung des Klimawandels geeinigt. „Es war ein sehr verschlossener Prozess der Entscheidungsfindung“, sagte ein chinesischer Berater der taz. Über einzelne Maßnahmen wollte er sich nicht äußern.

Der Plan wäre der erste Schritt Chinas zu einer aktiven Klimapolitik. Zwar zählt Peking zu den Unterzeichnern des Kioto-Protokolls, doch nur in der Rolle eines Entwicklungslandes, das laut dem Protokoll nicht zu eigenen Emissionsbegrenzungen verpflichtet ist. Mit dem Klimaschutzplan wolle Peking seine Bürger „die Wahrheit“ über die Gefahren des Klimawandels in China aufklären. Nach taz-Informationen würden konkret mehrere Emissionsszenarien samt ihrer Kosten entwickelt. Darin gehe es neben Trockenheit und Wassermangel auch um Erderosion, Überschwemmungen und Taifune.

Zwei Gründe zwingen Peking nun zum Handeln: Obwohl China nach wie vor niedrige Pro-Kopf-Emissionen hat, wird es voraussichtlich schon 2009 zum größten CO2-Emittanten der Welt aufsteigen. Diese Entwicklung hatte so schnell niemand erwartet. Noch bis ins Jahr 2000 sanken die chinesischen Emissionen aufgrund des Abbaus der alten Planwirtschaft mit ihren energieintensiven Betrieben. Erst das seit 2005 besonders starke Wirtschaftswachstum von über 10 Prozent ließ alle chinesische Kohlendioxid-Bilanzen extrem nach oben ausschlagen. Damit steht Peking heute weltweit als klimapolitischer Sündenbock da – und muss reagieren.

Aber auch innenpolitisch kann Peking die verschärfte Klimalage nicht länger ignorieren: Die außergewöhnliche Trockenheiten – wie im letzten Jahr in Sichuan – und der derzeit wärmste Pekinger Winter seit 160 Jahren haben viele Chinesen hinsichtlich der Folgen der Erderwärmung verunsichert. Bisher leugnete die Kommunistische Partei (KP) den Klimawandel zwar nicht, sie schilderte ihn aber auch nicht als große Gefahr. Erst in dieser Woche begann mit der Veröffentlichung des UNO-Berichts die erste ernstzunehmende Aufklärungskampagne der Regierung.

„Der Klimareport der UNO setzt jedes Land unter Druck“, titelte die Parteizeitung Global Times und stimmte damit den neuen Ton an, der auch China in die klimapolitische Pflicht nimmt. „Endlich verstecken Regierung und Wissenschaft nicht länger, dass China heute Opfer des Klimawandels ist“, kommentierte Yang Ailun, Klimaexpertin von Greenpeace in Peking, die Regierungskampagne im Gespräch mit der taz.

Zugleich kritisierte Yang, dass die Gründe für den Treibhauseffekt – vor allem der hohe Kohleverbrauch in China – immer noch nicht klar benannt würden. „Wir hängen beim Energieverbrauch zu 70 Prozent von Kohle ab. Diese Erklärung wird vermieden“, sagte Yang. Während er befürchtet, dass der neue Klimaschutzplan der Kommunistischen Partei im Streit der Ministerien abgemildert werde, äußerten sich die Berater des Umweltministeriums optimistisch. Es ginge in dem Plan nicht um „Blabla, sondern um sehr konkrete Politik“.