Deutschtest für Vierjährige wird Pflicht

Nordrhein-Westfalen führt als erstes Bundesland eine Sprachprüfung für Kinder im Kindergartenalter ein. Wenn Eltern die Teilnahme verweigern, drohen Bußgelder. Die Landesregierung in Düsseldorf hofft, dass andere Länder ihrem Beispiel folgen

AUS DÜSSELDORFNATALIE WIESMANN

„Am Sonntag geht der lustige Saft auf einen Baum.“ Mit solch einem unsinnigen Satz will das Land Nordrhein-Westfalen die sprachlichen Fähigkeiten aller Vierjährigen testen. „Wenn ein Kind auch Quatschsätze nachsprechen kann, beweist es grammatisches Wissen“, sagt Lilian Fried, Pädagogik-Professorin an der Uni Dortmund und Entwicklerin des Tests. Denn wenn ein Kind nur sinnvolle Sätze nachspreche, erklärt Fried, könne es sich auf sein Gedächtnis stützen – und somit mögliche grammatische Defizite überdecken.

Seit dem Amtsantritt der schwarz-gelben Landesregierung vor knapp zwei Jahren ist der Sprachtest für Vierjährige angekündigt, gestern stellte ihn Fried gemeinsam mit Schulministerin Barbara Sommer und Integrationsminister Armin Laschet (CDU) in Düsseldorf vor. Im März sollen so die Deutschkenntnisse von 180.000 Kindern in Nordrhein-Westfalen überprüft werden. Damit setzt die Landesregierung eine im Schulgesetz verankerte Regelung um. Auch in Laschets 20-Punkte-Integrationsplan, für den er auf dem bundesweiten Integrationsgipfel im Juli 2006 viel Anerkennung bekam, ist die frühe Sprachprüfung ein wichtiger Baustein.

Die Grundlage des Tests ist ein Brettspiel, an dem vier Kinder gleichzeitig sitzen. Auf einem 25-minütigen Lauf durch einen Zoo müssen sie der Erzieherin Sätze und Kunstwörter nachsprechen, zusammenhängende Geschichten erzählen und Anweisungen wie „Stell deine Figur neben den Affenkäfig“ folgen. Während ein Erzieher anleitet, soll ein Grundschullehrer beziehungsweise eine Lehrerin den Vorgang protokollieren. „Mit diesem Test lässt sich schon erkennen, ob das Kind auf dem Sprachstand eines Vierjährigen ist“, sagt Fried. Die Kinder, die noch Defizite haben, müssen sich im Mai einer weiteren detaillierteren Sprachstandsprüfung unterziehen. Dann soll das Sprechvermögen bis zur Einschulung gefördert werden.

„Wir gehen von einem Drittel der Kinder aus, die Sprachförderung brauchen“, sagt Schulministerin Sommer. Diese ist dem Land 350 Euro pro Kind wert. Mit dem Geld sollen Kindergärten Erzieher fortbilden oder externe Spracherzieherinnen einkaufen. Bestehende Projekte an Kitas sollen weitergeführt oder erweitert werden. Mit dem verpflichtenden Test will die Landesregierung Vorbild für andere Bundesländer sein: „Unsere Bundeskanzlerin hat ja auch schon gesagt, dass sie sich einen solchen Test für ganz Deutschland wünscht“, sagte Sommer. Bisher gibt es solche Tests in Nordrhein-Westfalen sowie in Berlin nur im Vorfeld der Einschulung. Frühe Sprachförderung wird nur auf freiwilliger Basis angeboten.

Dass nur Kinder mit Migrationshintergrund in ihren Deutschkenntnissen gefördert werden müssen, glaubt Integrationsminister Laschet nicht: „Wir werden Kinder türkischer Herkunft erleben, die flüssig Deutsch reden und keine Hilfe brauchen. Aber auch deutsche Kinder, die nicht so sprechen, wie wir es von Vierjährigen erwarten.“

Nicht jedes Kind wird mit dem Test automatisch erreicht, denn nur etwa 70 Prozent der Vierjährigen in Nordrhein-Westfalen besuchen den Kindergarten. Die anderen 30 Prozent sollen von den Einwohnermeldeämtern vorgeladen werden. Wenn die Eltern sie nicht zum Test bringen, droht ihnen die Landesregierung mit Bußgeldern. Auch Kinder, die nicht in die Kita gehen, müssen dort an der Sprachförderung teilnehmen. Laschet hofft auf einen positiven Nebeneffekt: „Es wäre schön, wenn diese Kinder dann auch regulär in die Kita gehen würden.“