Neuer Premier sorgt für Volksaufstand in Guinea

Mindestens 23 Menschen sterben bei landesweiten Protesten gegen die Einsetzung eines engen Vertrauten von Präsident Conté als Premierminister

GOMA taz ■ Die Ernennung eines neuen Premierministers in Guinea hat einen beispiellosen Volksaufstand ausgelöst. Reihenweise zerstörten Demonstranten in allen wichtigen Städten des westafrikanischen Landes am Wochenende öffentliche Gebäude und Residenzen hochrangiger Politiker. Gestern begann ein neuer landesweiter Generalstreik, den die Gewerkschaften Guineas bis zum Rücktritt des ungeliebten Präsidenten Lansana Conté fortsetzen wollen. Dieser verschob eine angekündigte Fernsehansprache am Sonntagabend auf gestern Abend. Spekuliert wurde über die Verhängung des Kriegsrechts, eventuell zusammen mit einer Auswechslung des neuen Premiers.

Conté, der Guinea seit 1984 autoritär regiert, hatte am Freitagabend seinen Vertrauten und bisherigen Präsidialminister Eugène Camara zum Premierminister ernannt. Die Besetzung des seit April 2006 vakanten Postens war zentraler Punkt einer Einigung zwischen dem Staatschef und dem Gewerkschaftsdachverband Ende Januar gewesen, woraufhin die Gewerkschaften ihren mehrwöchigen Generalstreik suspendiert hatten.

Allerdings war eigentlich gedacht, dass der Posten des Premierministers einem neutralen Politiker zukommen sollte und nicht einem Mitglied von Contés engstem Machtzirkel, der in dessen sämtliche Korruptionsaffären verwickelt sein soll. „Mit dieser Entscheidung bestätigt der Präsident seinen Willen, das Volk zu ignorieren“, erklärte sofort die Vereinigung zivilgesellschaftlicher Organisationen Guineas.

Mindestens 23 Menschen wurden am Samstag und Sonntag getötet, als Polizei und Armee gegen Demonstranten vorgingen. Die Kämpfe waren vielerorts brutaler als bei der letzten landesweiten Demonstrationswelle am 22. Januar, als mindestens 59 Menschen getötet worden waren. In der Stadt Kankan wurde ein Soldat bei lebendigem Leibe von der Menge gelyncht, nachdem er auf einen Demonstrationszug das Feuer eröffnet hatte –– der erste solche Vorfall seit Beginn der Streikwelle in Guinea. In der Hauptstadt Conakry gingen öffentliche Gebäude in Flammen auf, im ostguineischen Nzérékoré auch das Privathaus des neuen Premierministers.

Die Gewerkschaften Guineas, von der Volkswut beinahe überrannt, riefen daraufhin zu einem neuen unbefristeten Generalstreik bis zu Contés Sturz auf. Zu neuen Verhandlungen mit dem Präsidenten haben sie wenig Lust. Bei vergangenen Gesprächen drohte Conté den versammelten Gewerkschaftsführern, sie alle persönlich umzubringen; schließlich habe er so was schon mal gemacht. Bei einem anderen Termin erklärte der Präsident, er könne sich leider nicht mit den Streikforderungen beschäftigen, da er als Staatsbediensteter ebenfalls im Streik sei.

Guinea hält die weltweit größten Reserven am Aluminiumerz Bauxit und ist durch sein Eingreifen auf Seiten der heutigen Regierungen von Sierra Leone und Liberia in den dortigen Bürgerkriegen für die regionale Stabilität wichtig. Nun aber soll Conté übereinstimmenden Berichten zufolge 400 ehemalige liberianische Rebellen für seine eigene Sicherheit angeheuert haben – damit droht ein Übergreifen der brutalen Kriegsführung Liberias auf Guinea. International ist das Land so gut wie isoliert. Der internationale Flugverkehr nach Conakry wurde am Wochenende ebenso eingestellt wie die Kurzwellenübertragung ausländischer Rundfunksender. Berichten zufolge arbeitet die UNO an einem Evakuierungsplan für seine ausländischen Mitarbeiter und andere Ausländer. DOMINIC JOHNSON