Vorwand für künftige Vergeltungsschläge?

US-Regierung legt „Beweise“ für Irans Unterstützung irakischer Aufständischer vor. Demokraten sind skeptisch

WASHINGTON taz ■ Mit einem gewissen Grad an Skepsis betrachteten gestern führende US-Demokraten die von der Bush-Regierung vorgelegten „Beweise“ einer Verwicklung des Iran in die Aufstände im Irak. Auch die Teheraner Regierung wies gestern die Vorwürfe der USA zurück, iranische Agenten würden Aufständische mit geschmuggelten Waffen unterstützen.

Zuvor hatten am Sonntag US-Beamte Journalisten in Bagdad Fotos gezeigt, die den Waffenschmuggel aus dem Iran belegen sollten. Hochrangige US-Militärs führten als Beweise Sprengsätze, Mörsergranaten, panzerbrechende Munition und Panzerfäuste mit angeblich iranischen Seriennummern vor. Durch diese Sprengkörper seien seit Juni 2004 mehr als 620 US-Soldaten verletzt und mindestens 170 Soldaten der Koalitionstruppen getötet worden sein, hieß es.

Wenn er an ähnliche Geheimdienstberichte in der Vergangenheit denke, betrachte er die Vorwürfe mit Skepsis, sagte Christopher Dodd, Mitglied des Außenausschusses des US-Senats in einem Interview in Anspielung auf die Rechtfertigung für den US-Einmarsch in den Irak. Zwar zeigte sich Dodd überzeugt, dass der Iran eine gewisse Rolle im Irak spiele, doch solle der Konflikt diplomatisch gelöst werden.

Der in Washington schnell aufkommende Verdacht, die US-Regierung suche Vorwände für einen Einmarsch in den Iran, wurde gestern zudem durch einen Bericht des Magazins Newsweek genährt. Darin wird die ehemalige Direktorin für Iran-Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat, Hillary Mann, mit dem Vorwurf zitiert, einige Berater von US-Präsident George W. Bush suchten insgeheim nach einem Vorwand für einen Angriff auf den Iran. „Sie wollen die Iraner zu einem Schritt verleiten“, auf den die USA mit „Vergeltung“ antworten müssten, sagte Mann dem Magazin.

In den Waffenschmuggel sollen nach US-Angaben iranische Sicherheitskräfte verwickelt sein, die ihre Befehle von der „höchsten Ebene“ der Regierung in Teheran erhielten. Die US-Militärs, die laut Washington Post ungenannt bleiben wollen, machen vor allem die iranischen Revolutionsgarden, die direkt dem obersten iranischen Führer Ajatollah Ali Chamenei unterstellt sind, für die Waffenversorgung der irakischen Aufständischen verantwortlich. Angesichts der wachsenden Zahl von US-Opfern durch iranische Waffen habe man sich zu dem ungewöhnlichen Schritt entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen, sagten die Militärangehörigen. Die USA beschuldigen Teheran seit geraumer Zeit, die schiitischen Aufständischen sowie terroristische Gruppen im gesamten Nahen Osten mit Waffen zu versorgen und zu versuchen, die Lage in der Region weiter zu destabilisieren.

ADRIENNE WOLTERSDORF