Liebste Sangesdohlen

Fünf Grammys statt Todesdrohungen: Die Dixie Chicks sind dank Bush-Bashing wieder im Mainstream

Vor vier Jahren noch brannten ihre Platten in der Öffentlichkeit, Radiosender verbannten sie von ihren Playlists, und statt Autogrammwünschen gingen Todesdrohungen ein. Nun aber sind die Dixie Chicks wieder Amerikas liebste Sangesdohlen.

Bei der diesjährigen Verleihung der Grammy Awards räumten sie gleich fünf Auszeichnungen ab – das Trio aus Dallas gewann alle Grammys, für die es nominiert war, darunter die prestigeträchtigsten für „Album des Jahres“, „Song des Jahres“ und „Aufnahme des Jahres“. Auch die Auszeichnungen für „Country-Album des Jahres“ und „Country Performance“ gingen an die Dixie Chicks.

Anschließend war die Aufregung groß. Die amerikanische Öffentlichkeit feierte ihre vermeintliche Liberalität. Kein Kommentator kam umhin, stolz zu verkünden, dass die Dixie Chicks ausgezeichnet wurden, obwohl Leadsängerin Natalie Maines im März 2003, kurz vor Beginn des Irakkrieges, den Fehler begangen hatte, Präsident Bush zu kritisieren.

Tatsächlich aber verhält es sich genau anders herum: Nicht trotz ihrer Kritik an Bush sind die drei biederen Sängerinnen ausgezeichnet worden, sondern gerade deshalb. Denn mittlerweile gehört das Bush-Bashing längst zum guten Ton: Schon im vergangenen Jahr war der große Gewinner der Grammy-Nacht die ehemalige Punkrockband Green Day mit einem Album namens „American Idiot“. Anschließend zogen denn auch ansonsten durchaus patriotisch gestimmte Musiker nach: Die amerikanischen Institutionen Neil Young und Bruce Springsteen brachten ausdrücklich regierungskritische Alben heraus. Die Preisträgerinnen, die im nun ausgezeichneten Album „Taking The Long Way“ und vor allem der kämpferischen Single „Not Ready To Make Nice“ ihre Erfahrungen verarbeiteten, wussten das selbst durchaus richtig einzuschätzen: „Es geht uns nicht um Rehabilitation“, verriet Banjo- Spielerin Emily Robison nach der Verleihung, „viele Menschen waren immer auf unserer Seite.“

Dass die Chicks nun per Grammy-Schwemme offiziell geadelt wurden, vollendet den doppelten 180-Grad-Schwenk, den das linksliberale Amerika nach 9/11 vollzogen hat. Zuerst stand man felsenfest hinter dem Präsidenten und seinen Kriegsplänen, aber seitdem der Bodycount stetig wächst, erinnert man sich wieder der alten Ideale. Die Dixie Chicks wurden nun weniger aufgrund ihrer musikalischen Qualitäten ausgezeichnet, sondern quasi posthum dafür, diesen Rückwärtstrend als Erste erkannt und artikuliert zu haben. Lobenswert für eine Band, die sich eigentlich auf das konservative Countrypublikum stützt.

THOMAS WINKLER