Endlich Ruhe!

Der Senat darf den Flughafen Tempelhof im Oktober 2008 dichtmachen. Das Oberverwaltungsgericht weist die Klagen der Airlines gegen die Schließung ab

von ULRICH SCHULTE

Als Jürgen Kipp gestern um kurz nach 12 Uhr das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg bekanntgab, hatte kaum jemand im Saal mit so deutlichen Worte gerechnet: Die Schließung Tempelhofs beeinträchtige die 13 Airlines „nicht in ihren Rechten“, sagte Kipp. „Die Kläger müssen für eine Übergangszeit gewisse Erschwernisse hinnehmen.“ Das Gericht wies alle Klagen der Airlines ab, eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht lässt es nicht zu.

Im Senat sorgte das Urteil für Erleichterung: Es schaffe „Klarheit für alle und ist ein fairer Interessenausgleich“, freute sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Rainer Schwarz, Chef der Flughafengesellschaft, lobte es als „wichtigen Meilenstein“ auf dem Weg zum Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI). Und Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die mehr als zufriedene Verkehrssenatorin, kündigte stante pede an, das Verwaltungsverfahren zur Abmeldung der Tempelhof-Fläche als Flughafen „zügig“ voranzutreiben. Die Luftfahrtbehörde hat die Beteiligten bereits zu Anhörungen eingeladen.

Der klare Richterspruch ist in der scheinbar endlosen Debatte um die Schließung des defizitären innerstädtischen Flughafens eine Vorentscheidung. Der Senat will Tempelhof zum 31. Oktober 2008 einmotten, ein Jahr später als ursprünglich geplant. Er war zuvor freiwillig einem Kompromissvorschlag des Gerichts gefolgt, der den Airlines durch eine Gnadenfrist den Umzug nach Schönefeld oder Tegel erleichtern soll. Hunderttausende Neuköllner und Tempelhofer können sich also auf ruhigere Nächte freuen. Auf dem stillgelegten Areal plant der Senat ein Wiesenmeer, also einen riesigen Park – wobei Finanzierung und Eröffnungstermin noch völlig unklar sind (siehe Kasten).

Die betroffenen Fluglinien zeigten sich enttäuscht von der Entscheidung. Sie wollten auch in den kommenden Jahren ab und nach Tempelhof fliegen. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen, weil die Revision ausgeschlossen wurde. Was Thomas Stillmann, Chef der Windrose Air, prompt ankündigte. „Die Geschäftsflieger werden an den Rand der Stadt gedrängt.“ Auch werde der Betrieb des Großflughafens durch die kleinen Jets beeinträchtigt. Er und andere Airline-Chefs erwarten von den Umzug nach Schönefeld Wettbewerbsnachteile, weil ihre Kunden an den Stadtrand fahren müssen.

Solche Nachteile hält das Gericht jedoch für zumutbar. „Bei einem so komplizierten Verfahren wie der Neuordnung der Berliner Flughäfen kann man nicht hundertprozentige Chancengleichheit für alle gewährleisten“, sagte Richter Kipp in seiner Urteilsbegründung – zumal die Airlines sie ja nur für drei Jahre in Kauf nehmen müssten. Bereits bei früheren Verhandlungsterminen hatte Kipp klar gesagt, dass ein Weiterbetrieb Tempelhofs nach Öffnung des BBI im Herbst 2011 nicht in Frage komme. Die Länder hätten den Systemwechsel zum Single-Airport demokratisch beschlossen, argumentiert Kipp. Die Nachteile für die Airlines seien nicht so schwerwiegend, dass der Schließungsbescheid zu Tempelhof rechtswidrig werde.

Die Tempelhof-Fans sehen ihre Chancen schwinden. Mehr aus Routine führte CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger aus, es bleibe eine politische Entscheidung, ob der Flughafen „schließen soll und am Ende muss“. Das Urteil bestätige nur, dass die Schließung rechtskräftig werden könne. Pflügers Appell wird bei Rot-Rot ungehört verhallen.