DAS ENDE DES VW-GESETZES TREIBT DIE LIBERALISIERUNG VORAN
: Unternehmen brauchen Kontrolle

Das Volkwagen-Gesetz, das staatlichen Einfluss auf Deutschlands größten Autohersteller sichert und feindliche Übernahmen verhindert, erscheint in vieler Hinsicht als Relikt aus der Vergangenheit: Es steht als Symbol für die abgekapselte „Deutschland AG“, für die soziale Marktwirtschaft, für das Miteinander von Wirtschaft und Gesellschaft. Und obwohl es lange dabei geholfen hat, Standortverlagerungen und Lohndumping zu verhindern, fällt eine Verteidigung des Gesetzes nicht leicht. Eine verfehlte Modell-Politik, die den 3-Liter-Lupo beerdigt und stattdessen den 15-Liter-Phaeton vorantreibt, wurde dadurch ebenso wenig verhindert wie Lohnsenkungen, Schmiergeld-Skandale und die schleichende Übernahme durch Porsche.

Dennoch ist die Idee, die hinter dem VW-Gesetz steht, keineswegs veraltet: Unternehmen sollten nicht nur ihren Aktionären verpflichtet sein, sondern ebenso der Allgemeinheit, die von ihren Entscheidungen betroffen ist. Schließlich warnt die Politik zu Recht vor der wachsenden Macht von Finanzinvestoren, die gesunde Unternehmen finanziell ausschlachten und zerschlagen. Und sie kritisiert zu Recht Konzerne, die profitable Standorte schließen und Mitarbeiter entlassen, nur weil anderswo die Rendite vorübergehend noch höher ist.

Als Gegenmaßnahmen wären generelle politische Regeln sinnvoller, denn sie würden nicht nur für ein einzelnes Unternehmen wie VW gelten, sondern für alle. Doch bisher kann sich die Europäische Union nicht mal auf gemeinsame Standards für Steuern und Sozialleistungen einigen. Darum sollte gelten: Solange es keine neuen Regeln zu öffentlicher Kontrolle für Unternehmen gibt, muss von weiteren Liberalisierungen bestehender Einschränkungen abgesehen werden.

Das gilt umso mehr, als staatlicher Einfluss und öffentliche Unternehmensbeteiligungen in anderen europäischen Ländern verbreitet sind. Wenn das VW-Gesetz jetzt tatsächlich gekippt wird, sollte das für die Bundesregierung ein Anlass sein, wirksame Mittel zur Kontrolle von Unternehmen in der Europäischen Union auf die Agenda zu setzen.

MALTE KREUTZFELDT