Der Norden ist nichts für Kinder

Armut, fehlende Bildung, hohe Säuglingssterblichkeit: Kindern in Bremen geht es nach einer neuen Unicef-Studie am schlechtesten im Vergleich aller 16 Bundesländer. Auch Hamburg und Schleswig-Holstein schneiden nicht gut ab

Von Elke Spanner

In Norddeutschland aufzuwachsen, ist für Kinder keine gute Adresse. Einer Studie von Unicef zufolge sind die Zukunftschancen für Kinder in Deutschland insgesamt nur mittelmäßig, im Norden sogar auffallend schlecht. Vor allem Bremen schneidet alarmierend ab: Dort sind Kinder besonders armutsgefährdet, schlecht in den schulischen Leistungen und gesundheitlich auffallend mangelhaft versorgt.

In der Rangliste der Bundesländer steht Hamburg auf Platz sieben, Schleswig-Holstein auf Rang elf– und Bremen auf dem allerletzten Platz. In einzelnen Kategorien variieren die Zahlen: So ist Hamburg bei der Bildung bundesweites Schlusslicht, bei der gesundheitlichen Versorgung dafür auf einem Spitzenplatz. Schleswig-Holstein ist bei der materiellen Sicherheit der Kinder vergleichsweise gut, bei den Bildungschancen auch eher hinten. Und Bremen schneidet in allen Kategorien auffallend schlecht ab.

Vor allem der Gesundheitszustand, die Sicherheit und das Risikoverhalten der Kinder in Bremen fällt auf. Schon die Säuglingssterblichkeit ist hoch: Auf 1.000 Geburten kommen an der Weser sechs Todesfälle – Sachsen hat im Vergleich 3,2 Fälle. Babys haben in Bremen insgesamt schlechtere Startchancen. Ein geringes Geburtsgewicht ist ein wichtiger Indikator für den Gesundheitszustand der Mütter und die vorgeburtliche Entwicklung des Kindes. Hamburg beispielsweise steht hier relativ gut da – Bremen weist erneut sehr schlechte Werte auf. Alarmierend auch die Zahl der Todesfälle bei Kindern bis 20 Jahre durch Unfälle oder andere Ursachen: Hier gehört Bremen wiederum „zur Schlussgruppe“, wie die Autoren der Studie schreiben.

Sie erinnern daran, dass „mit großer Selbstverständlichkeit die steigenden Gesundheitskosten mit dem medizinischen Fortschritt und dem steigenden Lebensalter der Bevölkerung begründet werden“. Da stelle sich die Frage, warum bei der kindlichen Gesundheit nicht das Niveau beispielsweise von Dänemark oder Schweden erreicht werden könnte, die weniger Geld in Medizin investierten. Dass Deutschland bei der Bildung europaweit im unteren Mittelfeld liegt, ist seit der ersten PISA-Studie aus dem Jahr 2000 bekannt.

Die regionalen Unterschiede, die die Unicef-Studie aufgedeckt hat, zeigen, dass gerade im Norden erheblicher Reformbedarf besteht. Bremen und Hamburg liegen in der Leistungskompetenz ihrer Schüler „unterhalb des Durchschnitts, teilweise im letzten Drittel“. Kinder aus Bremen liegen etwa so weit hinter denen aus Bayern und Sachsen zurück wie Kinder aus Portugal hinter Altersgenossen aus Japan oder Finnland.

Diese regionalen Unterschiede hingen laut Unicef auch damit zusammen, dass in einzelnen Bundesländern unterschiedliche Unterrichtsmethoden und Leistungserwartungen der Lehrer Einfluss auf die Leistungen der Kinder nehmen. Aber nicht nur: „Da auch die anderen Indikatoren, die Unicef heranzieht, um das Wohlergehen der Kinder im Bildungsbereich zu vergleichen, ähnliche Differenzen aufweisen, stellt sich die Frage, ob diese Unterschiede tatsächlich allein auf die Institution Schule zurückgeführt werden können.“

Schlecht sieht es im Norden vor allem auch für Migrantenkinder aus. In Hamburg kommen 20 Prozent, in Bremen 16 Prozent der 15- bis 19-Jährigen aus Elternhäusern mit nichtdeutschem Hintergrund – und bisher wurde es Unicef zufolge nicht geschafft, diese in das Schulsystem zu integrieren und ihnen die gleichen Lebenschancen zu ermöglichen wie Kindern aus deutschen Elternhäusern.

Untersucht hat Unicef auch die Armut unter Kindern. Insgesamt wurde festgestellt, dass diese in großen urbanen Zentren am größten ist. Konkret: „Kinder in Bremen, Hamburg und Berlin sind in hohem Maße armutsgefährdet.“

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