„Wir werden Kosovo nicht eintauschen“

Serbien wird ein völlig unabhängiges Kosovo, mit eigener Armee und UN-Mitgliedschaft, nie akzeptieren. Denn es geht um die Prinzipien des Völkerrechts, so Vladeta Janković, außenpolitischer Berater des serbischen Premierministers

taz: Herr Janković, der UN-Verhandler Martti Ahtisaari hat einen Plan zur Lösung der Kosovo-Frage vorgelegt. Wird Serbien diesem UN-Plan zustimmen?

Vladeta Janković: Nein. Denn dieser Plan sieht im Wesentlichen die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo vor – von eigenen Staatssymbolen über eigene Streitkräfte bis zum Sitz in der UNO. Dieser Plan ist nicht nur für den Premier Koštunica, sondern für alle serbischen staatlichen Institutionen und relevanten politischen Kräfte inakzeptabel. Da es sich aber nur um einen Entwurf handelt, werden wird den Verhandlungsprozess nicht verlassen. Serbien wird zu allen diplomatischen, politischen und gesetzlichen Mitteln greifen, um seine staatliche Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen.

Und was könnte Serbien tun, wenn das Kosovo doch unabhängig wird?

Das wäre eine grobe Verletzung der UN-Charta und der noch gültigen UN- Resolution 1244, die das Kosovo als einen Bestandteil Serbiens vorsieht. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der UN-Sicherheitsrat einer Unabhängigkeit des Kosovo zustimmt. Russland und China vertreten ausdrücklich den Standpunkt, eine Lösung zu unterstützen, der sowohl Belgrad als auch Priština zustimmen.

Nehmen wir an, dass Kosovo doch von einzelnen Staaten oder der EU anerkannt wird – hat Serbien dann einen Plan B?

Wenn es um die Erhaltung der territorialen Integrität eines souveränen, international anerkannten Staates geht, darf es keinen Plan B geben. Sollte es aber tatsächlich dazu kommen, gibt es eine ganze Reihe diplomatischer Schritte, dazu gehört auch, die bilateralen Beziehungen mit einzelnen Staaten zu hinterfragen.

Was heißt das konkret?

Das könnte die Reduzierung politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Beziehungen mit jenen Staaten zur Folge haben, die auf eine so drastische Weise elementare internationale Normen verletzen.

Was wäre für Serbien ein akzeptables Minimum in der Kosovo-Frage?

Wir bestehen nur darauf, dass die vorhandenen Grenzen unbestritten bleiben. Was den Grad der Autonomie für das Kosovo angeht, sind wir zu maximalen Kompromissen bereit. Die Albaner, die die mehrheitliche ethnische Gruppe im Kosovo stellen, hätten die absolute Macht. Das wären praktisch zwei Systeme in einem Staat. Kurz gesagt – wir würden alles außer einem UNO-Sitz und eigenen Streitkräften des Kosovo akzeptieren. Wir wären sogar bereit, eine solche Lösung zeitlich zu beschränken. Sollte es nicht funktionieren, kann man jederzeit wieder verhandeln. Natürlich wäre internationale Präsenz erforderlich.

Bestehen Sie da nicht auf reiner Symbolik?

Da geht es um ein Prinzip. Indem wir unser Territorium verteidigen, verteidigen wir nicht mehr und nicht weniger als die internationale Rechtsordnung. Sollte die UN-Charta verletzt werden, die eine Unverletzbarkeit der Grenzen eines souveränen Staates vorsieht, würde das heißen, dass man auf das Prinzip der Selbstbestimmung zurückgreift. Als Präzedenzfall würde das Voraussetzungen dafür schaffen, dass jede ethnische Gruppe, die die Mehrheit auf einem Teil des Territoriums eines anderen Staates stellt, die eigene Staatlichkeit fordern könnte. In der Region würde das einen Dominoeffekt auslösen. In Mazedonien würden Albaner eine Föderalisierung des Staates, in vier Gemeinden in Montenegro und im Preševo-Tal in Südserbien einen Sonderstatus fordern. Wenn man die Grundprinzipien der UN-Charta im Namen einer kurzfristigen, trügerischen Stabilität verletzt, nur um Unruhen der Albaner im Kosovo zu vermeiden, muss man sich schon über mögliche Folgen im Klaren sein.

Wenn man die allgemeinen Prinzipien mal beiseite lässt – welche Bedeutung hat Kosovo für Serbien?

Kosovo als die Wiege des Serbentums zu bezeichnen, mag pathetisch klingen, aber es ist nun einmal eine Tatsache. Die Residenzstadt des mittelalterlichen Serbien war Prizren, in dem heute sechzehn Serben leben. Andere wurden vertrieben. Kosovo ist der Kern, aus dem der serbische Staat entstanden ist.

Wurden Belgrad gewisse Zugeständnisse für eine Änderung der Haltung zum Kosovo angeboten?

Jahrelang stellten Europa und USA Serbien wirtschaftliche Prosperität, die EU-Mitgliedschaft und andere Privilegien in Aussicht, wenn es einen Teil seines Territoriums aufgibt. Ich befürchte, dass es sich da um ein tief greifendes Missverständnis handelt. Im Westen denkt man, dass man alles aushandeln kann. Erst in letzter Zeit ist man endlich zur Einsicht gekommen, dass Serbien Kosovo nicht eintauschen wird – nicht für die EU- oder Nato-Mitgliedschaft und auch nicht für milliardenhohe nicht rückzahlbare Kredite.

INTERVIEW: ANDREJ IVANJI