Der Stoff, aus dem Albträume sind

Hollywood liebt es, vom Scheitern seiner Fußsoldaten zu erzählen – wie nun auch der Film noir „Die Hollywood-Verschwörung“. Die Vorlage liefert der Schauspieler George Reeves, der erst keinen Ruhm erwarb und dann am falschen Ruhm zerbrach

VON ANDREAS BUSCHE

„Superman tötet sich selbst“ titelte Amerikas Klatschpresse im Juni 1959 – eine Schlagzeile, die sich eigentlich wie von selbst schreiben sollte. Die Geschichte dahinter entbehrte nicht einer gewissen Tragik, obwohl man mit den geplatzten Träumen der kleinen Sternchen und Provinzschönheiten den Hollywood Boulevard dreimal hoch und runter pflastern könnte. Am Fall des Schauspielers George Reeves ließ sich der menschliche Verschleiß in Hollywoods Tretmühlen allerdings besonders schön vorführen, gerade weil sein Tod nicht bloß eine kurze Randnotiz blieb, sondern seine private Demontage in aller Öffentlichkeit stattfand. Reeves ging am Berühmtsein zugrunde. Seine erste größere Rolle hatte er 1939 in „Vom Winde verweht“ bekommen. Durch die Vierzigerjahre hangelte er sich von einer Statistenrolle zur nächsten. Mit „So Proudly We Hail“ schrammte er einmal ganz knapp am Ruhm vorbei, bis er Anfang der Fünfzigerjahre als Superman-Darsteller in einer Kinderserie zu nationaler Popularität gelangte. Über Nacht wurde Reeves zum Star, doch der Erfolg hatte seinen Preis. Von nun an war er Superman, und als der blieb er in Erinnerung, als er sich am 16. Juni 1959 eine Kugel in den Kopf jagte.

Die seltsamen Umstände von Reeves’ Tod haben den Regiedebütanten Allen Coulter und seinen Autor Paul Bernbaum nun zu dem „Rashomon“-artigen Vexierspiel „Die Hollywood-Verschwörung“ inspiriert. Der Originaltitel „Hollywoodland“ bezieht sich auf den ursprünglichen Namen der Gegend um die Glamour-Metropole, den sich windige Grundstücksspekulanten zur Zeit des großen Land-Booms ausgedacht hatten. In den Fünfzigern waren die letzten vier Buchstaben des berühmten Schriftzugs bereits demontiert, aber die strukturellen Veränderungen von Hollywoodland sind im Film immer noch gegenwärtig. Jeder gute Film noir seit „Chinatown“ ist schließlich auch ein Film über die Ausbeutung von Los Angeles.

Umso enttäuschender, dass „Die Hollywood-Verschwörung“ als Film noir so kläglich versagt – während er als menschliches Drama zumindest ganz passabel funktioniert. Das liegt vor allem an Ben Affleck, der dem aufgeschwemmten Reeves überraschend sympathische Züge verleiht: ein Kindskopf, der mit seinem juvenilen Charme an seine Grenzen gestoßen ist und sich nun von einer einige Jahre älteren Frau (Diane Lane) aushalten lässt, die pikanterweise mit dem Studio-Zampano Eddie Mannix (Bob Hoskins als polternde Rampensau mit beispiellos schlechten Manieren) verheiratet ist. Dieses Verhältnis hatte nach Reeves’ Selbstmord Anlass zu Spekulationen gegeben, und es dient auch Coulter und Bernbaum als Ausgangspunkt für einige halbgare Verschwörungstheorien. Adrien Brody gibt sich in der Rolle des toughen Privatschnüfflers größte Mühe, aber er besitzt einfach nicht den Schneid von Jack Nicholson, an dessen Jack Gittes aus „Chinatown“ seine Figur allzu offensichtlich (bis hin zu den Gesichtsverletzungen) angelehnt ist. Die vielen Rückblenden in Reeves’ Vorgeschichte nehmen dem Noir-Plot obendrein jegliche Motivation. Reeves ist allerdings auch die entschieden interessantere Figur.

Hollywood liebt es, vom Scheitern seiner Fußsoldaten zu erzählen; mit gespieltem Ekel suhlt es sich in der Morbidität des eigenen Mythos. Erst vor wenigen Monaten schilderte Brian De Palmas „Die schwarze Dahlie“ den berühmtesten Mordfall in der Geschichte von Los Angeles als trauriges Hollywood-Schicksal. Der Moloch aus Glamour, Intrigen, Sex und Gewalt – alles, was auch Kenneth Anger, in dessen Gossip-Bibel „Hollywood Babylon“ Reeves mit einer Seite bedacht wird, immer an Hollywood geschätzt hat – liefert den Stoff, aus dem Albträume gemacht werden. Dass diese Faszination oft mit dem Genre des Films noir kurzgeschlossen wird, ist folgerichtig. Auch der Film noir spielt mit der Nostalgie und einem Faible für alles Dunkle, Sumpfige. Coulter allerdings hat es geschafft, dass das „noir“ in seinem Film zu bloßem Zeitkolorit verkommt. Bestenfalls bleibt die Hard-boiled-Attitüde der Figuren schnittiges Zitat. Das Melodram ist ungleich resistenter gegenüber solch nachlässiger Behandlung. Reeves ist zwar ein armes Würstchen, aber am Ende verdient er unser Mitgefühl.

„Die Hollywood-Verschwörung“. Regie: Allen Coulter. Mit Adrien Brody, Ben Affleck, Diane Lane, Bob Hoskins. USA 2006, 126 Min.