Justizsenatorin auf Pillensuche

Von heute an soll eine Untersuchungskommission die „Medikamentenaffäre“ in der Haftanstalt Moabit aufklären. Das Ausmaß der Unterschlagung ist weiter völlig unklar

Die „Medikamentenaffäre“ im Knast Moabit wird Parlament und Justiz noch einige Zeit beschäftigen. „Ich stehe nicht im Ruf, unbequeme Dinge nicht aufzuklären“, verwahrte sich gestern Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses gegen Vorwürfe der Opposition, nicht die erforderlichen Schritte veranlasst zu haben. Das Problem sei, dass eine Menge meist anonymer Anschuldigungen kursierten. Außerdem gebe es keine wirkliche Bestandsaufnahme der Medikamente in der Haftanstalt und keine hinreichenden Nachweise über deren Ausgabe. Deshalb habe sie eine unabhängige Kommission eingesetzt, die eine umfassende Organisationsprüfung in der Haftanstalt vornehmen werde.

Die Arbeitsgruppe ist mit vier Experten aus Brandenburg, einem Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Inneres, drei Mitarbeitern der Justizverwaltung und einem Mitarbeiter der JVA Tegel besetzt. Die Gruppe, die heute ihre Arbeit aufnimmt, sei keine staatsanwaltschaftliche Ermittlungsgruppe, habe aber umfassende Aufklärungsbefugnisse, sagte von der Aue. Sie werde im Moabiter Knast einen eigenen Raum haben. Die Anstaltsleitung sei angewiesen, die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Auch Gefangene würden befragt. Geleitet wird die Arbeitsgruppe vom Ministerialdirigenten des Landesrechnungshofs, Werner Heinrichs. Dass Brandenburger an der Aufklärung mitwirkten, begründete Heinrichs so: „Dadurch wird nicht der Anschein erweckt, dass hier etwas wegen falsch verstandener Kollegialität unter den Teppich gekehrt wird.“

Die Kommission wird eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Diese ermittelt gegen fünf Bedienstete des Knasts Moabit wegen Unterschlagung von Medikamenten, die für Gefangene bestimmt waren. Die Dimension ist noch völlig unklar. Von der Aue: „Es kann sein, dass am Ende der Untersuchung alle erschrocken sind oder dass das Ausmaß ganz geringfügig ist.“ Mit dem Abschlussbericht rechnet man für Mitte April.

Grüne und CDU konfrontierten die Justizsenatorin gestern mit vielen Fragen, die größtenteils unbeantwortet blieben. Insbesondere was die Chronologie betrifft, räumte von der Aue ein, selbst noch viele offene Fragen zu haben. Der konkrete Vorwurf, dass Medikamente in Moabit unterschlagen wurden, war am 11. August 2006 beim Anstaltsleiter eingegangen. Strafanzeige erstattet wurde aber erst am 9. September, weil der Hauptbelastungszeuge in Urlaub war. Eine im November erarbeitete Dienstanweisung zum Umgang mit Arzneimitteln sei „vorübergehend nicht auffindbar gewesen“, zeigte sich von der Aue befremdet. Zur überraschenden Entlassung ihres Staatssekretärs Christoph Flügge (SPD) sagte die Senatorin nichts Neues. Sie habe Flügge aus „sachlichen Gründen“ in den einstweiligen Ruhestand geschickt. PLUTONIA PLARRE